Der Blutfluch: Roman (German Edition)
völlig erschöpft sein, Majestät. Ein ganzer Tag zu Pferd, nachdem Ihr eben erst ein Kind verloren habt, das ist zu viel der Anstrengung. Bitte setzt Euch. Ich habe angeordnet, dass Euch auf der Stelle ein stärkendes Getränk gebracht wird.«
Clementia behandelte sie mittlerweile wie eine pflichtbewusste Mutter ein Kind mit bescheidenen Geistesgaben. Beatrix hoffte inständig, die Herzogin möge nach der
curia generalis,
wie der Hoftag offiziell genannt wurde, zu ihrem Mann zurückkehren.
»Macht Euch keine Sorgen, es geht mir gut«, dankte sie und ließ sich in dem angebotenen Stuhl nieder. »Es fehlt mir an nichts.«
»Ich muss gestehen, ich hatte mir das Lager hier weniger komfortabel vorgestellt«, räumte Clementia ein. »Was ich von meinem Mann gehört habe, hat mich keine Teppiche, Seidenvorhänge und kissenbelegte Diwane erwarten lassen.«
Beatrix lächelte und behielt für sich, dass das alles nur ihr zu verdanken war, weil sie schon in den ersten Wochen ihrer Ehe fand, der Kaiser lebe unterwegs zu anspruchslos und kärglich. Auch beließ sie Clementia in der Annahme, sie habe im Kloster zu Dôle in frommer Bescheidenheit gelebt. Was würde sie wohl sagen, wenn sie erführe, dass dort sogar ein Stallmeister bemüht worden war, um sie das Reiten zu lehren. Auch war ihr Raum luxuriöser ausgestattet gewesen als zum Beispiel dieses Zelt. Ihr Onkel hatte stets Wert darauf gelegt, dass sie ihrem Rang gemäß untergebracht und versorgt wurde.
Die Zeit in Donaustauf hatte sie mit Clementia nicht so vertraut gemacht, dass sie über solche Dinge mit ihr gesprochen hätte. Hinzu kam, dass die Herzogin ständig den Verlust des Kindes im Munde führte. Beatrix wollte den Schmerz überwinden, statt ihn künstlich am Leben zu erhalten. Sie wollte den Blick nach vorne richten. Erinnern und Bedauern kostete Kraft und hielt sie nur davon ab, das Beste zu geben. Das wollte die Herzogin nicht begreifen.
»Nehmt doch ebenfalls Platz und macht Gebrauch von der für Euch überraschenden Bequemlichkeit. Die meiste Arbeit ist getan. Sicher freut Ihr Euch auf das Wiedersehen mit dem Herzog. Ich höre, er ist bereits in Regensburg. Es tut mir leid, dass der Kaiser die Stadt aus politischen Gründen erst betreten will, wenn zwischen Heinrich Jasomirgott, seinem Onkel, und Eurem Mann alles im Reinen ist. Der Vergleich, der beiden Interessen dient, liegt ihm am Herzen.«
»Ich weiß nichts von diesem Vergleich«, antwortete Clementia zurückhaltend. »Mein Mann fordert wohl auch keinen Vergleich, sondern sein Recht. Konrad hat ihn schon vor Jahren im Streit um das Bayernherzogtum politisch isoliert und zugunsten seines Halbbruders Heinrich Jasomirgott entmachtet. Vom Kaiser erhofft er sich Gerechtigkeit, deshalb ist er seit seiner Krönung treu an seiner Seite geblieben.«
»Der Anlass zum Streit reicht weit zurück«, warf Beatrix ein.
»Der Vater meines Mannes starb 1139 . Auch wenn Heinrich der Löwe damals noch minderjährig war, so ist er doch ohne Zweifel seitdem der einzige Erbe seines Vaters.«
»Ich weiß, dass dem Kaiser daran liegt, die bestehenden Spannungen auszugleichen und offene Konfrontationen zu vermeiden.« Es lockte Beatrix, nicht nur die offizielle Version der Ereignisse von Clementia zu hören, sondern deren persönliche Meinung zu erfahren. »Die Tatsache, dass die Fürsten des Reiches Friedrich zu ihrem König gewählt haben, ist in meinen Augen ein Beweis dafür, dass auch sie die alten Feindschaften begraben und neu beginnen wollen. Regensburg schließt diese Entwicklung ab. Seht Ihr das nicht auch so?«
Clementia zeigte zunächst Verblüffung, dann Nachdenklichkeit und schließlich wieder jenen Stolz, den man leicht mit Dünkel verwechseln konnte. Beatrix sah ihr an, dass sie glaubte, sie plappere nach, was sie in Friedrichs Nähe aufgeschnappt habe. Dass sie ihr immer noch keine eigenen Gedanken zutraute, enttäuschte sie.
»Das Problem in dieser alten Feindschaft ist Jasomirgott und nicht Heinrich«, verteidigte Clementia pflichtgetreu ihren Mann. »Er ist bisher allen Hoftagen, Verhandlungen und Schlichtungsterminen fern geblieben. Solange jedoch nicht beide Parteien anwesend sind, um das
Iudicum Principum,
den
Fürstenspruch,
persönlich zu hören, kann keine Entscheidung fallen, die vor dem Gesetz Bestand hat. Hoffen wir, dass er dieses Mal endlich erscheinen wird.«
Die betonte Übersetzung des Rechtsbegriffes vom Lateinischen ins Deutsche nahm Beatrix mit einem Lächeln hin, obwohl sie
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