Der Blutfluch: Roman (German Edition)
immer wütender wurde. Bei aller Intelligenz erzürnte die Herzogin sie mit ihrem Drang, sie zu belehren.
»Ich weiß vom Kaiser, dass mit Jasomirgott dieses Mal zuverlässig ein Konsens gefunden wird, den er im persönlichen Gespräch am vergangenen Pfingstfest mit ihm ausgehandelt hat. Ihr könnt sicher sein, dass die Zeremonien auf den Barbinger Wiesen zum Frieden führen, Herzogin.«
»Dafür will ich beten.«
»Das wollen wir beide tun.«
Beatrix nahm dankend den Stärkungstrunk ab, den man ihr reichte. Am dampfenden Silberbecher schnuppernd, erkannte sie Minze, Anis und Rotwein, sowie eine Spur von Pfeffer und Zimt.
»Das Getränk dient der allgemeinen Belebung und lindert Krämpfe«, erklärte Clementia.
Beatrix hatte keine Krämpfe mehr und nicht die geringste Lust, eine Medizin zu schlucken. Das Aroma von Wein und Gewürzen widerstand ihr, aber sie benetzte immerhin die Lippen, um Clementias Bemühungen zu würdigen.
Ohne dass Friedrich ein Wort dazu gesagt hatte, wusste sie, dass er für seine Herrschaft auf die Unterstützung Heinrichs des Löwen angewiesen war. Sie durfte seine Frau keinesfalls verärgern.
Clementia nickte denn auch zufrieden und bat, sich entschuldigen zu dürfen, um im eigenen Quartier nach dem Rechten zu sehen.
Friedrich hielt sie durch sein Kommen auf.
Beide waren zu weit entfernt, als dass Beatrix ihren leisen Wortwechsel hätte verstehen können. Aber er währte zu lange für einen respektvollen Gruß. Worüber sprachen sie? Clementia errötete, schien etwas zu erklären, das ihr nicht angenehm war.
Friedrich hörte ihr gewissenhaft zu, aber Beatrix kam es vor, als würde ihm zunehmend missfallen, was sie sagte. Was konnte das sein?
Höflich hielt Friedrich Clementia jetzt den Vorhang zurück, damit sie das Zelt verlassen konnte.
Sich im Kreise ihrer Damen verneigend, bereitete es Beatrix mehr Mühe als sonst, ihn erfreut anzulächeln. Sie warf einen vielsagenden Blick auf das Pergament in seiner Hand. »Es gibt Neuigkeiten?«
»Nein, meine Liebe. Es handelt sich um den endgültigen Wortlaut des
Privilegium Minus,
das morgen verlesen wird. Ehe ich die Urkunde unwiderruflich siegle, möchte ich mir ihren Inhalt noch einmal in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Ich habe nach einem vertrauten Ministerialen geschickt, der sie mir vorliest. Bis er erscheint, wollte ich die Zeit nutzen und nach dir sehen. Bist du mit allem zufrieden? Ich bedaure, dass ich dir kein festes Dach über dem Kopf bieten kann. Wenn Jasomirgotts empfindlichem Stolz endlich Genüge getan ist, wird uns Regensburg empfangen.«
»Wie du siehst, ist alles zum Besten«, verbarg Beatrix ihr Erstaunen. Sie wusste, dass sie an einen Hof gekommen war, an dem Bildung und Wissenschaften nicht den gleichen Stellenwert wie in Burgund hatten. Dass der Kaiser dieser Unzulänglichkeit zum Trotz seinen Regierungsgeschäften so gründlich nachgehen konnte, wie sie es täglich erlebte, nötigte ihr Bewunderung ab. Er musste ein unglaubliches Gedächtnis besitzen.
»Wenn du erlaubst, erweise ich dir diesen Dienst«, schlug sie vor. »Im Kloster liebten es die Nonnen, wenn ich ihnen vorlas. Sie schmeichelten mir, meine Stimme sei so angenehm.«
Friedrich sah sie verblüfft an.
»Es ist Latein, Beatrix. Die offizielle Sprache des Reiches, in der alle wichtigen Urkunden verfasst werden.«
»Es wird mir guttun, mich wieder einmal darin zu üben. Es ist schon Monate her, dass ich lateinische Texte gelesen habe. Ich will es gerne für dich übersetzen.«
»Du glaubst, du kannst das?«
»Warum nicht? Man hat mich über Jahre hinweg mit Wissen aller Art vollgestopft. Neben dem Französischen beherrsche ich Latein und Italienisch fließend. Ich hoffe, du bist auch mit meinen Fortschritten im Deutschen zufrieden. Man macht mich hier auf meine Bitte hin auf jeden meiner Fehler sofort aufmerksam.«
»Welch eine Überraschung. Meine Frau ist eine Gelehrte. Je nun … wenn du es versuchen willst. Oder warte …«
Erst jetzt kam dem Kaiser die Anwesenheit ihrer Damen und ihres Gesindes zu Bewusstsein. Beatrix las seine Gedanken und sorgte mit einer eiligen Handbewegung dafür, dass sie allein blieben.
Bis sich der Vorhang hinter der letzten Magd schloss, blieb ihr Zeit, das Dokument zu überfliegen und die Panik zu überwinden, die sich ihrer kurz bemächtigte. Hatte sie sich womöglich überschätzt?
In erster Linie ging es bei dem Text darum, bestehende Grafschaften und Markgrafschaften in Bayern und Österreich zu
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