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Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Titel: Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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ließ, stellte er erschrocken fest, dass keine darunter war, die ihm noch nicht auffordernd zugezwinkert hatte.
    Auf allgemeinen Wunsch hin hatte er seinen Skizzenblock von oben geholt und ließ ihn herumgehen. Die erste Hälfte des Blocks war ausgefüllt mit Landschaftsskizzen in Kohle – einigen davon hatte er mit Aquarellfarben eine Spur Leben eingehaucht. Die zweite Hälfte war leer, von zwei flüchtig hingekritzelten Jagdszenen abgesehen, welche er im Laufe des Tages angefertigt hatte. Diese schlichten Beweise seiner Kunst riefen großes Interesse hervor, garniert mit ein wenig derbem Spott vonseiten der Männer und bewundernden Blicken aus der Richtung der Damen. Das blutjunge Geschöpf mit der höckerigen Nase schmiegte sich wie ein schutzsuchendes Tier an ihn und wollte wissen, ob er auch Porträts male.
    „Mitunter“, antwortete er. Was der Wahrheit entsprach.
    „Auch Akte?“, fragte sie. Dabei wich sie ein Stück von ihm zurück, drehte ihren Oberkörper mit dem frischen, prallen Dekolleté ins Profil und ihr Gesicht in die Frontale. Aus dieser speziellen Perspektive war sie ausgesprochen schön, und die Sicherheit, mit der sie diese Haltung einnahm, verriet, dass sie oft vor dem Spiegel posierte.
    „Akte eher selten“, erwiderte er. Sie sah aus, als wisse sie so gut wie er, dass „eher selten“ in diesem Fall „noch nie“ bedeutete.
    Mit einem silberhellen Lachen entriss sie ihm den Skizzenblock, sprang auf, lief quer durch den Saal, hinaus in die Halle, und – soweit er es erkennen konnte – auch noch durch die Tür ins Freie.
    „Geh ihr schon nach“, stieß ihn einer der Männer an. Eugen kam der Gedanke, es könne sich um ihren Vater oder Onkel handeln. Als er aufstand, spürte er zum ersten Mal die Wirkung des Weines. Er schwankte, hielt sich an der Wand fest und hoffte, dass dieses Gefühl, sich auf einem Schiff bei Seegang zu befinden, nachlassen würde, wenn er erst eine Weile auf den Beinen stand.
    So war es. Die kühle Luft der Nacht erfrischte ihn. Da er im ersten Moment keine Spur von der Flüchtigen fand, wurde sein Blick von dem Sternenhimmel angezogen, der sich über das Anwesen spannte. Die Sternbilder zeichneten sich klar vor ihm ab, und beinahe war es ihm, als wären sie von Linien verbunden, wie es in den Atlanten der Fall war. Der Alkohol hatte ihn nicht betäubt, sondern aufnahmefähiger gemacht.
    „Trödler!“ Hier draußen gab es offensichtlich jemanden, der nicht zulassen konnte, dass er sich in der Beobachtung des Nachthimmels verlor. Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, und ein anständiges Stück vor dem Haus, unweit der hohen Mauer, tauchte das helle Kleid aus der Finsternis wie ein Gespenst. Die Erscheinung schwenkte etwas in der Hand. Sein Notizbuch. Das Mondlicht ließ es weiß aufleuchten.
    Eugen rannte los. Auf unsicheren Beinen näherte er sich dem Mädchen, das brav dort auf ihn wartete.
    Brav?
    Kurz bevor er die junge Frau erreichte, tat sie etwas, was ihm zutiefst missfiel. Sie schleuderte den Notizblock von sich, dass er sich raschelnd im Wind auffächerte und einige Meter links von ihr mit einem unschönen Geräusch auf den Boden prallte. Das für ihn wertvolle Heft wie ein Stück Abfall durch die Luft fliegen und im Dreck landen zu sehen, versetzte ihm einen Stich. Es hatte ihn genug Überwindung gekostet, es aus seinem Zimmer zu holen und unter den Bankettgästen herumgehen zu lassen, die es zwischen den Suppen und Kuchen ablegten und mit den fettigen Fingern umblätterten.
    Er änderte seine Laufrichtung und erreichte die Stelle, an der es herabgefallen war. Aufgeschlagen lag es da, eines der Skizzenblätter umgeknickt.
    Doch etwas überraschte ihn. Es war nicht etwa ins Gras gefallen, wie er angenommen hatte. Kein Wunder – das Geräusch hatte irgendwie nicht dazu gepasst. Vor ihm breitete sich ein Quadrat aus Steinplatten aus, mit einer Seitenlänge von etwa zehn Metern. Am Rand lag der Block. Die Hälfte der Platten hatten eine weiße, die anderen eine schwarze Färbung. Sie folgten abwechselnd aufeinander, acht auf acht Platten, wie die Felder eines Schachspiels.
    Eine Hand streckte sich nach dem Block aus, doch Eugen war schneller und packte ihn, ehe das Mädchen ihn erreichen konnte.
    „Jetzt bist du böse“, stellte die Frau fest.
    Da konnte Eugen nicht widersprechen.
    „Ich möchte, dass du mich schlägst“, sagte sie plötzlich.
    Er sah sie an. Ihr Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. „Das kommt nicht in Frage“,

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