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Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Titel: Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Wochen hatte Eugen einen Stapel brauchbarer Entwürfe in seinen Skizzenblock gezeichnet und drei Bilder begonnen. Es entsprach seiner Gewohnheit, an mehreren Werken gleichzeitig zu arbeiten, und auch wenn es dem Baron nicht zu behagen schien – in diesem Punkt war er Manns genug, seinen Willen durchzusetzen.
    Eben hatte er sich an diese neue Art der Einsamkeit gewöhnt, als wieder Gäste eintrafen. Diesmal war es nicht die Horde jagdhungriger Adliger, in deren Gefolge Eugen auf dem Schloss eingeführt worden war. Ein älteres Ehepaar, beide außergewöhnlich hager und in erschreckend alte, Staubwolken ausatmende Kleider gehüllt, traf ein – unangekündigt und doch nicht ganz überraschend, wie es schien.
    Eugen wurde zu einem eilig organisierten gemeinsamen Tee eingeladen, ohne im Voraus informiert zu werden, um wen es sich handelte. Auch das kannte er mittlerweile.
    Die beiden Herrschaften kamen, wie sie sagten, auf einen kleinen „Luftwechsel“ vorbei. Sie überbrachten Katharina einen Brief von ihrem Bruder. Katharina ließ den Brief verschlossen und schaffte hastig und aufgeregt einen Armvoll Geschenke herbei, als da waren: ein Paar Ohrringe und Leibwäsche für die Dame, ein Päckchen Zigarren, Hemden und Manschettenknöpfe für den Herrn, ein Teeservice und grüne Seidenvorhänge für den Haushalt. Dazu legte sie einige Süßigkeiten, von denen die größeren an die Familienangehörigen, die kleineren an das Hauspersonal verteilt werden sollten. Zum Schluss wechselte noch ein Säckchen den Besitzer, in dem Münzen zu klimpern schienen.
    Auf einem anschließenden Spaziergang über das Anwesen (zu dem man die Gäste beinahe zwingen musste) bewunderte man Eugens aktuelles Bild, das er, da es weder nach Regen noch nach Sturm aussah, auf der Staffelei im Freien gelassen hatte. Im Verlauf des Spaziergangs fand sich Eugen zwischen Wolfgang und Roland wieder, den beiden Söhnen, die sie ebenfalls begleiteten. Sie ließen sich ein wenig zurückfallen, zweifellos mit Absicht.
    „Ist es nicht scheußlich, wie die beiden kommen, um uns anzubetteln?“, flüsterte Wolfgang.
    Dazu konnte Eugen verständlicherweise keine Meinung abgeben.
    Der ältere Sohn sprach weiter: „Das passiert ein paar Mal im Jahr. Aus heiterem Himmel tauchen sie auf, doch Katharina hat immer schon ein paar Sachen für sie bereitgelegt. Und Vater lässt es geschehen. Wissen Sie, was allein diese Manschettenknöpfe gekostet haben?“
    Eugen erwiderte vorsichtig, er habe keine Vorstellung von solchen Dingen. „Verwandte der Baronin?“, schätzte er, und Wolfgang nickte.
    „Ihre Eltern. Sie leben in Armut. In einer Art Ruine. Die Süßigkeiten, die Katharina ihnen für die Bediensteten mitgibt, essen sie selbst. Weil sie keine Angestellten mehr haben. Schon lange nicht mehr.“
    „Gewiss ist das Vermögen des Barons groß genug, um durch diese kleinen Geschenke keinen nennenswerten Schaden zu nehmen“, meinte Eugen vorsichtig.
    „Möglich“, brummte Roland. „Aber vergessen Sie nicht, dass dieses Vermögen, so groß es auch sein mag, eines Tages durch zwei geteilt werden muss!“
    Eugen betrachtete die beiden abwechselnd und dachte schweigend nach. Wolfgang und Roland hatten ihm eben sehr offen zu verstehen gegeben, wie sie dazu standen, dass ihre Stiefmutter ihren verarmten Eltern Geschenke machte – aus einem Topf heraus, dessen Inhalt nach Meinung der Söhne ganz allein ihnen selbst zustand. Er hatte sich nach Offenheit gesehnt, sich Einblicke ins Innere der Familie gewünscht. Aber auf diese Eröffnung hätte er gerne verzichtet.
    Der Spaziergang kam bald zu einem Ende, und die abgehärmte Frau wandte sich vor dem Haus plötzlich an Eugen.
    „Ihr Bild sagt mir sehr zu“, lobte sie mit einer krächzenden Stimme, die doch irgendwie der von Katharina ähnelte. „Ein wenig … roh und barbarisch vielleicht, aber dafür entschuldigt Sie Ihre Jugend zur Genüge. Es ist sehr schade, dass das Schicksal Ihnen keine Gelegenheit gegeben hat, ein hübsches Porträt von Sophia zu malen. Natürlich sind Sie zu jung, um sie gemalt zu haben. Sehr bedauerlich. Wir haben überhaupt kein Bildnis von ihr. Kein einziges.“
    „Sophia?“
    Lorenz ging mit verhärteten Zügen ins Haus. Katharina und die Söhne folgten ihm, Eugen blieb mit den Gästen am Eingang stehen.
    „Sophia war die erste Frau des Barons“, erklärte die Besucherin. „Die Mutter von Wolfgang und Roland. Wussten Sie das nicht?“
    Eugen begann ein wenig zu schwitzen. „Verzeihen

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