Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Titel: Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
Ruhe eingekehrt war. Sie hielt seichte, aber angenehme Gespräche mit Eugen ab, meist in Anwesenheit des Barons. War Lorenz nicht zugegen, achtete sie darauf, nicht mit dem Maler in einem geschlossenen Raum zu weilen, sondern unter freiem Himmel oder mindestens in der Halle des Schlosses.
    Eugen verlegte sein Atelier für unbestimmte Zeit nach Falkengrund. Zwar erhielt er eines der Zimmer zu diesem Zwecke, doch das Wetter meinte es so gut mit ihm, dass er die Staffelei meist frühmorgens in den Garten oder auf die angrenzenden Wiesen tragen konnte, um den größten Teil des Tages dort zu verbringen.
    Wie gewohnt ging ihm die Abbildung der Natur leicht von der Hand. Größere Schwierigkeiten bereitete es ihm, die spezielle Stimmung der Jagd einzufangen. Den Jägern, die er in die Naturkulisse setzte, fehlte es an Bewegung und Leben – in den besten Fällen wirkten sie wie Schauspieler auf einer Bühne, die ihren Text nicht vergessen hatten. Das sterbende Wild auf der Leinwand festzuhalten, war noch schwieriger. Nach einigen Tagen merkte er, dass er nicht etwa unfähig war, den Ausdruck des verlöschenden Lebens richtig zu treffen, sondern dass er sich davor fürchtete. Gelang es ihm einmal, diese Furcht zu überwinden (und manchmal, in den schwermütigen Stunden des späten Nachmittags schaffte er genau das), stand wie bestellt Katharina hinter ihm, leise atmend, ihm lange geduldig zusehend, ehe sie sagte: „Nehmen Sie sich in Acht, dass Sie nicht werden wie Lorenz.“
    In einer dieser Situationen erwiderte Eugen leise, ohne den Blick von dem Reh zu nehmen, das unter seinem Pinsel nur zum Leben erwachte, um gleich wieder zu sterben: „Wäre es denn schlimm, wenn ich würde wie er?“
    Die junge Baronin dachte nach. „Vielleicht nicht, wenn Sie ganz genau so würden wie er. Aber stellen Sie sich vor, Sie hätten seine Dunkelheit, aber nicht seine Kraft, um sie zu ertragen – was für ein trauriges, gemartertes Geschöpf Sie wären!“
    Eugen verlangte es danach, ihr viele Fragen zu stellen, über ihr Leben und das des Barons, wie sie sich gefunden hatten, ob sie glücklich waren. Sobald sich eine der Fragen auf seiner Zunge zu formen begann, spürte er, wie taktlos und anmaßend sie war. Es waren Fragen, die er frühestens in einigen Jahren hoffen konnte, stellen zu dürfen. Vielleicht wäre es leichter und weniger unverfroren gewesen, sie auf das anzusprechen, was ihre Gäste als Räuberschach bezeichnet hatten, doch es war ihm unmöglich, eine so junge, hübsche und angenehme Frau mit einem solchen Thema zu konfrontieren, nicht in Anwesenheit ihres Gatten und noch weniger, wenn sie alleine waren. Er überlegte unablässig, wie er ihr mitteilen konnte, dass er aus dem Spiel geflohen war, ehe er in die Verlegenheit kam, schlagen zu müssen oder geschlagen zu werden. Er ertrug kaum, wie sie mit ihm sprach und dabei denken musste, er hätte dieser … unsäglichen Orgie beigewohnt.
    Doch in ihren Worten und in ihrem Verhalten war kein Hauch des Vorwurfs oder der Abneigung auszumachen.
    Nicht nur von Katharina erhielt er Besuche. Ab und zu kamen die Dienstboten und sahen ihm zu, schwiegen zunächst verschüchtert, begannen dann, naive Fragen zu stellen, und hörten nicht mehr auf damit.
    Und auch Lorenz beehrte ihn. Kam lautlos zu ihm heraus, stand immer dann hinter ihm, wenn er ganz sicher war, alleine zu sein.
    „Öl ist nicht so rot wie Blut.“ Solche Kommentare gab er ab, nachdem er das halbfertige Gemälde eine Weile aufmerksam studiert hatte.
    „Aber es bleibt so rot, wie es einmal ist“, entgegnete Eugen. „Es verblasst nicht.“
    Lorenz ging ein paar Schritte hin und her, um die Wirkung des Lichts zu prüfen. „Das ist gut“, sagte er dann. „Es bleibt so, wie es ist.“
    Eugen lächelte. „Gewissermaßen … also, man könnte sagen, es sieht aus, als blute es immer weiter, ohne Ende. Und das viele Jahrhunderte lang.“
    „Das ist sehr gut.“ Lorenz klopfte ihm auf die Schulter. „Sehr gut. Du solltest die Gesichter der Jäger etwas dunkler machen.“
    „Dunkler? Mehr Schatten, meinen Sie?“
    „Dunkler. Mehr Schatten auf der Seele. Sie sehen aus, als hätten sie einen Heidenspaß dabei.“
    „Aber … haben sie das nicht?“
    „Nein“, sagte der Baron. „Sie lieben die Jagd, aber sie haben keinen Spaß daran.“
    „Ich werde … darüber nachdenken.“
    „Dunkler“, wiederholte Lorenz. „Die Gesichter dunkler. Und das Blut weiter fließen lassen. Ich bin sehr zufrieden.“

2
    Nach zwei

Weitere Kostenlose Bücher