Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann
und die Mutter unter Androhung des Todes von seinem Grundstück verwiesen. Doch die beiden waren nicht so leicht zu entmutigen. Ihre Vermögenssituation war dramatisch, sie versanken in Schulden, mussten das größere und schönere von zwei Häusern aufgeben und in eine bessere Hütte ziehen, die sie jahrzehntelang dem Verfall preisgegeben hatten. Immer wieder unternahmen sie neue Versuche, dem Baron ihre damals noch vierzehnjährige, hübsche Tochter schmackhaft zu machen. Denn das Geld, das während Sophias Lebzeiten in ihre Richtung geflossen war, hatte sie abhängig gemacht, und sie wollten lieber von einem jähzornigen Lorenz aus dem Fenster gestoßen werden als sich vorwerfen zu müssen, eine Chance, ihre letzte Tochter mit dem wohlhabenden Adligen zu vermählen, nicht wahrgenommen zu haben.
Sie hatten einen Trumpf in der Hand, und an diesen glaubten sie.
Katharina war Sophias Spiegelbild. Sie glichen sich so sehr, dass man sie für Zwillingsschwestern hätte halten können, wäre da nicht der Altersunterschied von zweiundzwanzig Jahren gewesen. Katharina sah beinahe auf das Haar genau so aus, wie Sophia ausgesehen hatte, als Lorenz sie damals im Alter von sechzehn Jahren ehelichte.
Diese Tatsache, da waren sie sicher, würde dem Baron keine Ruhe lassen. Sie würde an seinem verletzten, unglücklichen Herzen nagen wie ein hungriger Wurm, würde ihn aushöhlen, bis nichts mehr von ihm übrig war als der Wunsch, dieses Mädchen zu seiner Frau zu machen.
Für Katharina waren die anderthalb Jahre, in der sie sich Lorenz von Adlerbrunn anbieten musste, bis er den Köder endlich fraß, eine grauenhafte Zeit. Sie hatte keine Liebe für sich in dem Mann gespürt, den sie heiraten sollte, nicht einmal fleischliche Lust oder intellektuelle Übereinstimmung, wie sie die Grundlage für so manche andere Ehe bildeten. Lorenz hasste sie für ihr Aussehen. Für ihn war sie eine Verräterin an dem Bild seiner Frau. Am meisten aber hasste er nicht Katharina oder ihre Eltern, sondern sich selbst. Er verachtete sich dafür, dass dieses falsche Abbild seiner Sophia ihm so sehr zusetzte, ihn anzog wie eine dämonische Fata Morgana.
Denn während er sie hasste, wurde er doch süchtig nach ihr, nach ihrem Anblick, den Erinnerungen, die sie weckte.
Lorenz besaß kein physikalisches Bild von seiner Sophia. Vielleicht war das der Grund, weshalb er der Falle, der man ihm stellte, nicht entgehen konnte, obzwar er sie erkannte. Es gab kein Gemälde von ihr, und auch die moderne Erfindung der Photographie hatte kein beständiges Abbild von ihr geschaffen. Sie war verschwunden, ohne ihre Schönheit in dieser Welt zu hinterlassen. Roland ähnelte ihr, doch Roland war ein Junge, sein Sohn, und er konnte ihn nicht lieben, wie er sie geliebt hatte. Im Gegenteil – er hatte alle Hände voll zu tun, ihn nicht zu hassen. Denn Sophia war an den Folgen von Rolands Geburt gestorben, und es lag nahe, dem Jungen die Schuld für das schlimmste zu geben, was Lorenz in seinem Leben widerfahren war.
Nach der Heirat schlugen sie ein neues Kapitel auf – gemeinsam. Katharina spürte, wie Lorenz sich mit ihr zu arrangieren begann. Sie war fünfzehn, er beinahe vierzig. Seine widersprüchlichen Gefühle ihr gegenüber veränderten sich, sehr langsam, aber beständig. Auch heute, nach vier Jahren, liebte er sie noch nicht, wie er Sophia geliebt hatte. Und er respektierte sich noch nicht, wie er sich früher einmal respektiert hatte. Sie hatten sich auf einen langen Weg gemacht. Erst ein, zwei winzige Schritte auf einem schier endlosen Pfad waren sie gegangen. Aber in die richtige Richtung.
Bis zum heutigen Tage hatte Lorenz sie nicht berührt. Sie war noch Jungfrau wie an jenem Tag vor vier Jahren, als sie vor den Pfarrer getreten waren. Manchmal behandelte er sie wie ein Nichts, wie ein Stück Inventar oder wie eine lästige Stubenfliege, die ihn umschwirrte, wenn er seine Ruhe haben wollte.
Doch der Hass auf sie war nicht mehr da.
Katharina hatte diese vier Jahre gebraucht, um ihren Kampfeswillen aufzubauen. Noch immer was es schwierig, mit ihm zusammen zu sein. Doch irgendwann in den vier Jahren hatte sie – völlig unbemerkt – den Punkt erreicht, an dem es noch schwieriger war, nicht mit ihm zusammen zu sein.
Sie taten bereits Dinge, an die früher nicht zu denken gewesen wäre. Sie neckten sich. Spielten kleine erotische Spiele miteinander. Szenen wie jene im Bad … viele kleine Schritte. Sie hatte ihm ihre Jugend geopfert, auf den Wunsch
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