Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann
ihrer Eltern hin, und nun würde sie ihm den Rest ihres Lebens opfern, weil sie es so wollte . Bis er soweit war, Sophia loszulassen und sie stattdessen in seine Arme zu schließen. Es war das, was Sophia gewollt hätte. Das, was Katharina wollte. Das, was Lorenz wollte – ohne Zweifel.
Manchmal fiel das Durchhalten schwer. Man verlor die Hoffnung. Wollte, wenn schon nicht aufgeben, dann doch einen Moment durchatmen. Eugen gefiel ihr. Die Minuten, die sie mit ihm verbrachte, waren – einfach – leicht – unkompliziert. Sie hatten nichts von diesem … Ernst, der einem die Brust zuschnürte und das Herz in Fetzen riss.
Seit sie Eugen kannte, spürte sie die Last, die die letzten vier Jahre auf ihre Seele geladen hatten. Sie war bereit, noch mehr Last zu tragen, aber sie wusste nicht, wie viel sie auf sich nehmen konnte, ohne darunter zermalmt zu werden. Sie hatte Lust, alles zur Seite zu legen, einmal tief durchzuatmen und noch einmal die Freiheit zu spüren, die sie als Kind gespürt hatte. Bei Eugen würde sie dazu fähig sein, das wusste sie.
Aber sie merkte auch, dass sie die Last liebgewonnen hatte. Was sie niederdrückte, war kein Blei, sondern Gold. Eines Tages würde sie die Last in Reichtum einlösen können, nicht in die Sorte Reichtum, auf die ihre Eltern es abgesehen hatten, sondern in eine Erfüllung, die keine Freiheit dieser Welt ihr schenken konnte.
Sie würde Lorenz von Adlerbrunns Frau werden. Nicht auf dem Papier, sondern in seinem Herzen. Er würde sie lieben, sie würde ihm Kinder gebären, an seiner Seite bleiben, bis einer von ihnen starb.
Die Zeit ohne Lorenz und Eugen war schwer, und sie wusste nicht, wer ihr mehr fehlte. Die gemeinsamen Essen mit Wolfgang und Roland waren eine Tortur. Die letzten Geschenke, die sie ihren Eltern gemacht hatte, hatten die beiden noch mehr aufgestachelt, und die Atmosphäre war eisig.
Umso überraschter war sie, als wenige Tage, nachdem Lorenz und Eugen das Schloss verlassen hatten, Wolfgang beim Mittagessen mit einer Idee auf sie zukam.
„Hättest du keine Lust, Mutter, dich von Eugen malen zu lassen? Könnte man sich ein schöneres Willkommensgeschenk an Vater vorstellen, wenn er von der Reise zurückkehrt? Ein Bild in einem hübschen Rahmen, in der Halle an der Wand, zwischen den anderen Familienmitgliedern?“
Katharina war leichtgläubig und vertrauensselig und hundert Mal auf die Tricks der beiden hereingefallen. „Was führt ihr im Schilde?“, fragte sie. Die Hitze stieg ihr in den Kopf. Sie legte das Besteck nieder.
„Nichts, Mutter. Wir dachten, es wäre gut für dich und Vater. Und für diesen Maler. Ich fürchte, er ist nicht der begütertsten einer, und das Honorar für das Porträt würde ihm bestimmt für eine Weile aus dem schlimmsten heraushelfen.“
Sie kniff die Augen zusammen. „Ein Honorar, das ihr natürlich liebend gerne aus dem Vermögen entrichtet, das einst euer Erbe sein wird.“ Sie sprach absichtlich sehr offen mit ihnen. Sie sollten nicht glauben, dass sie ein Dummerchen war.
„Vergiss nicht“, lächelte Wolfgang, „dass das Bild auch zu unserem Erbe gehört. Und sein Wert wird in den kommenden Jahrzehnten beständig steigen. Dieser Eugen von Degenhard wird einmal ein berühmter Mann sein. Wir handeln also durchaus in unserem Interesse, keine Sorge!“
Das Gespräch war damit beendet, jedoch nicht der Gedanke. Katharina trug ihn den Tag und die nächste Nacht über im Kopf. Für sie stand fest, was ihre Stiefsöhne planten. Sie hatten ihre Augen überall, und ihnen war offenbar nicht entgangen, dass sie sich zu Eugen hingezogen fühlte. Gewiss glaubten sie, Katharina würde „kippen“, wenn sie drei Wochen lang dem Maler Modell stand, ohne ihren Gatten im Haus. Wenn eine junge Frau sich von einem jungen Mann malen ließ, dann war dabei stets Erotik im Spiel, ganz gleich, wie züchtig die Kleidung, wie nüchtern das Bild ausfiel. Das Ziel der beiden Brüder war noch immer dasselbe. Diesmal jedoch wollten sie sie nicht hinaus ekeln , sondern sie hinaus verführen lassen.
Und was, wenn sich Katharina nicht verführen ließ? Wenn sie die Idee aufgriff, Lorenz eine Freude machte, Eugen einen Auftrag verschaffte und ihrem Ehemann – ihrem schwierigen, aber geliebten Ehemann – dabei ganz und gar treu blieb? Körperlich und seelisch?
Sie traute sich das zu.
Lorenz brauchte ein Bild von ihr.
Eugen brauchte Geld.
Und sie brauchte die Genugtuung, den beiden Intriganten unter ihrem Dach zu zeigen, was wahre
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