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Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Titel: Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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im Garten mit dem Bild und dem Skizzenblock. Die Skizzen. Ihr war übel geworden, als sie sie sah, aber diese Übelkeit war nichts gewesen, gar nichts, gegen die Übelkeit, die jetzt in ihr wühlte. Sie würde sich übergeben müssen, ganz bestimmt, in den nächsten Sekunden schon. Jetzt brauchte sie Eugen mehr denn je. Er würde sie stützen, wie er es eben getan hatte. Lorenz fing sie, wenn sie ohnmächtig wurde. Eugen stützte sie, wenn ihr übel war.
    Ja. Sie hatten sich aneinander geschmiegt. Es hatte nichts mit Zärtlichkeit zu tun. Und doch. Ihr Gesicht an seiner Brust. Seine Hand an ihrer Schulter. Er hielt sie fest und streichelte sie gleichzeitig. Angenehm. Beruhigend. Katharina erlebte die Szene noch einmal und sah sie gleichzeitig in Gedanken von außen, wie eine Unbeteiligte. Genau, wie Lorenz sie gesehen haben musste. Von innen gefiel sie ihr besser als von außen. Von außen war die Szene ziemlich hässlich – ihr Hüpfen nach dem Skizzenblock. Sie zog an seinem Arm, als wäre er ihr … Bruder oder … Dann sank sie an seine Seite.
    „Du … verstehst nicht. Ein Missverständnis.“
    „Natürlich. Ich wusste, dass du das sagen würdest.“ Er hatte sich etwas gefangen. Sein Gesicht war noch immer tiefrot, aber seine Stimme klang besser. Kräftiger. Brutaler. Weniger krank. „Es gibt eine Menge Missverständnisse, seit dieser Kerl in unserer Mitte ist.“
    Das stimmte. Er hatte recht. So viele Missverständnisse. Man musste etwas dagegen tun. Aber …
    „Seine Skizzen“, lallte sie. „Er hat Leichen gemacht. Särge und Friedhöfe.“
    „Katharina!“, herrschte Lorenz sie an und packte ihr Gesicht mit beiden Händen. Es schmerzte. „Komm zu dir! Du musst mir Rede und Antwort stehen, verdammt!“ Er verpasste ihr eine Ohrfeige, und es half ihr. Half ihr, klarer zu denken. Half sogar gegen die Übelkeit. Der Brechreiz zog sich zurück. Die Dinge wurden geordneter, durchsichtiger.
    „Es ist nur ein … Missverständnis“, sagte sie. „Es ging nicht um uns. Es ging um den Block. So viele Phasen, so viele unterschiedliche Einflüsse … Du hast ihn beinahe zerbrochen, Lorenz, weißt du das? Was du mit mir nicht geschafft hast, das wäre dir bei ihm beinahe gelungen. Gott, hast du schon einmal einen jungen Maler gesehen, der Leichen malte …?“ Sie wollte das nicht sagen, es tat ihr weh, ihn anzugreifen. Lieber wollte sie sich mit ihm versöhnen. Sie war nicht böse. Sie verzieh ihm alles. Sie wankte auf ihn zu, wollte die Arme um ihn schlingen, doch er stieß sie zurück.
    „Katharina, hör mir jetzt gut zu! Ich sage es nur einmal.“
    „Ja“, keuchte sie. „Ja … gut … ich bin bereit …“
    „Du sagst, es war ein Missverständnis. Zwischen dir und ihm ist nichts.“
    „Er ist ein Freund, Lorenz. Unser Freund …“
    „Du solltest mich nicht unterbrechen“, knurrte er. „Vielleicht war es ein Missverständnis. Man kann alles missverstehen. Sogar ein ganzes Leben, von Anfang bis Ende. Ich stelle dich jetzt vor eine Entscheidung, und du kannst selbst wählen, ob es ein Missverständnis war oder nicht.“
    Sie war verstummt, sah ihn aus großen, unsteten Augen an. Warum ließ er nicht zu, dass sie ihn umarmte? Es gab nichts, wonach es sie mehr verlangte.
    „Wenn Eugen von Degenhard dir nichts bedeutet, wenn du mir treu sein willst, dein ganzes Leben lang, dann geh jetzt sofort hinaus und nimm für immer von ihm Abschied, und ich schwöre dir, ich werde dafür sorgen, dass ihr euch niemals mehr wiederseht. Tust du das, nehme ich das als Beweis für deine Tugend und Treue, und ich werde vergessen, was eben im Garten geschehen ist, Missverständnis oder nicht.“
    „Lorenz! Du hast selbst gesagt, er ist unser Freund. Das Bild, es …“
    „Sei still! Es gibt noch eine zweite Möglichkeit. Wenn du es wünschst, werde ich diesen Maler weiterhin auf Falkengrund dulden. Ich verspreche, ihn nicht anzufassen, kein böses Wort an ihn zu richten und dir nichts vorzuhalten, was immer du auch mit ihm tust. Doch dafür musst du ebenfalls einen Beweis erbringen. Den Beweis, dass du nichts als eine … eine einfache, dreckige Hure bist. In einem Monat bekomme ich wieder Gäste zur ersten Frühlingsjagd. Es wird wieder ein Bankett geben, und am Tag danach eine Partie Räuberschach. Wenn du an dem Schachspiel teilnimmst, sehe ich das als Beweis deiner wahren Natur und werde dir gestatten, diesen Mann so oft zu sehen, wie es dir beliebt. Ich werde wegsehen, wenn ihr euch hier in der Halle oder auf

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