Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann
kurzem hatten sie in den Ställen bei den Hunden gehangen. Sie trugen sogar noch ihren Geruch.
„Der Hund ist der beste Freund des Menschen“, sprach der Baron. Es war, als halte er eine Rede. „Weil er dem Menschen sehr ähnlich ist. Und deswegen ist der Mensch auch dem Hund sehr ähnlich. Ihr könnt mir doch folgen?“
„Wohin Sie wollen.“ Eine der Damen. Wieder Gelächter.
„Wenn das so ist – dann folgt mir auf die Jagd.“
„Schon wieder?“ Ein Mann sagte das.
„Alle zusammen? Aber mit Vergnügen!“ Eine Frau. „Wo sind die Hunde?“
„Sie sind hier versammelt.“
„Hier sind nur wir. Wir sind die Hunde?“
„Habt ihr Einwände?“
„Nicht direkt, aber … Hunde …“
„Ihr schlüpft ohne zu zögern in die Rolle von Pferden und Türmen – und noch schlimmer: von Bauern –, aber ihr habt Vorbehalte, in die Haut eines Hundes zu schlüpfen, des treusten Freundes der Menschen?“
Die Leute applaudierten. Zwei, drei ließen sich auf alle Viere fallen, wackelten albern mit den Hintern, als würden sie mit den Schwänzen wedeln, bellten, heulten, jaulten. Immer mehr machten es ihnen nach. Auch die Frauen knieten nun nieder, spielten mit. Einige griffen von alleine nach den Halsbändern und legten sie sich selbst oder ihren Nachbarn um.
„Nicht schlecht. Wirklich nicht schlecht“, meinte der Baron, nachdem er sich das Schauspiel eine Weile angesehen hatte. Einige der Spaßvögel hoben das Bein, als würden sie ihre Notdurft verrichten, andere wühlten auf dem Teppichboden, als würden sie Knochen verbuddeln, wieder andere knurrten sich an und bissen sich gegenseitig in Schulter und Nacken. „Es fällt mir immer schwerer, euch von echten Hunden zu unterscheiden.“ Ein Graf lief auf allen Vieren auf den Baron zu und tat so, als würde er an ihm hochspringen und ihn ablecken wollen. „Ein wichtiger Punkt trennt euch allerdings noch alle von den Hunden …“
„Die Flöhe“, rief jemand. Heulendes, bellendes Lachen.
„Die werdet ihr schon noch bekommen, keine Sorge. Nein, ich meinte etwas anderes. Seht euch an! Habt ihr schon einmal einen Hund in Kleidern gesehen?“
Der unvermeidliche Zwischenruf: „Im Zirkus!“
„Im Zirkus“, wiederholte Lorenz. „Möchtet ihr ein Zirkushund sein oder ein Jagdhund? Entscheidet euch!“
Ein grölendes Lachen erhob sich, und die Leute begannen sich auszuziehen. Zuerst die Männer, doch auch die Frauen zierten sich nicht lange. Schuhe, Strümpfe, Handschuhe flogen als Erstes in hohem Bogen durch den Saal, dann kamen Jacken, Hosen, Überröcke, später Unterwäsche, sogar Mieder. Bei manchen dauerte es nahezu eine Viertelstunde, bis sie jeden Fetzen Stoff von ihrem Leib gepflückt hatten, doch niemandem wurde die Zeit zu lang. Es war ein Spaß, sich gegenseitig beim Abwerfen der Kleider zuzusehen. So nackt waren sie beim Schachspiel nie gewesen.
Auch Lorenz’ Söhne machten mit. Und die Frau mit dem Gesicht Katharinas. Ihr Körper war schlank und weiß und voller Jugend.
„Freuen sich die Hunde auf die Jagd?“, rief Lorenz. Die meisten hatten es begriffen und antworten bellend. Die Langsameren im Geiste brüllten „Ja! Wir sind bereit!“, doch sie hörten rasch damit auf und übten sich im Kläffen und Heulen.
Jetzt löste sich der Baron zum ersten Mal von der Stelle, an der er die ganze Zeit über gestanden hatte. Er drängte sich zwischen die menschlichen Vierbeiner, prüfte die Leinen, legte denen, die noch keines hatten, ein Halsband um. Schließlich verknotete er die Enden aller Leinen miteinander, so dass er die Hunde alle auf einmal führen konnte, wie es manchmal geschah, wenn man bei einer Treibjagd viel mehr Hunde als Treiber hatte. Manche fanden es witzig, sich an ihm zu reiben, taten so, als würden sie ihn beschnuppern. Und er streichelte sie am Kopf, kraulte ihren Bauch oder tätschelte ihre Seite.
„Gleich ist es soweit“, sagte er. „Gleich, meine treuen Freunde. Wir gehen hinaus in die Natur. Und jagen das Schwein, den Hirsch und den Hasen. Habt nur einen Augenblick Geduld! Das Spiel bedarf noch einer letzten Vorbereitung.“
„Eine Vorbereitung?“, flüsterte eine der nackten Damen ihrem Nachbarn zu, der schon die ganze Zeit auf obszöne Weise an ihrem Hintern schnupperte und sie dabei mit seinem langen Schnurrbart kitzelte. „Ob er eines der Dienstmädchen in ein Wildschweinfell gesteckt hat?“
Lorenz verband die Leinen mit einer Kette, die von der Decke hing. „Das ist, damit ihr mir inzwischen nicht
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