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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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war. Er war … wie soll ich sagen … in unzugänglicher Stimmung. Er vertraute sich niemandem an, verkroch sich in sich selbst und ging schweigend umher. Wenige Tage vor seinem Tod schloss er sich völlig in seine Zelle ein und weigerte sich, mit jemandem auch nur ein Wort zu reden.«
    »Hatte das einen besonderen Grund? Könnte ihm irgendetwas zugestoßen sein? Diese Angst, ihm könnte etwas widerfahren – hat er darüber mit seiner Mutter gesprochen?«
    Bruder Lugna verneinte mit einer Kopfbewegung, und der Abt erwiderte: »Mir ist nichts davon zu Ohren gekommen. Ich weiß lediglich, dass er vier Tage vor seinem Tod in die Abtei zurückkehrte und sich in seiner Zelle einschloss.«
    »In die Abtei
zurückkehrte
?«, fragte Fidelma. »Wie soll ich das verstehen?«
    Bruder Lugna hatte bei der Erklärung des Abts die Lippen zusammengepresst und antwortete nun umständlich: »Der Abt bezieht sich auf die Tatsache, dass Bruder Donnchad sich einen ganzen Tag aus der Abtei entfernt hatte, ohne dass jemand davon wusste. Wir haben diese Verletzung unserer Regeln seinem sonderbaren Verhalten zugeschrieben. Als Verwalter hatte ich mir vorgenommen, ihn wegen seines Ungehorsams zu tadeln. Er hätte unsere … ich meine dieBilligung des Abts einholen müssen. An jenem Tag war mir aufgefallen, dass er bei der Frühmette fehlte. Dann erfuhr ich von Bruder Echen, unserem Stallmeister, Bruder Donnchad hätte sich eines der Pferde genommen und wäre noch vor Tagesanbruch davongeritten. Er würde gegen Abend zurück sein. Bruder Echen nahm natürlich an, dass er die Erlaubnis des Abts hatte und auch meine.«
    »Ist er dann wirklich zu der Zeit zurückgekehrt, wie er gesagt hatte?«
    »Er kam erst, als es längst dunkel war, brachte das Pferd in den Stall und ging geradenwegs in seine Zelle, verschloss die Tür und weigerte sich, auch nur zu antworten.«
    »Habt ihr etwas unternommen gegen dieses seltsame Betragen, außer seiner Mutter zu ermöglichen, ihm ins Gewissen zu reden?«
    »Just an dem Morgen, an dem wir später den Leichnam entdeckten, hatten wir beratschlagt, wie wir am besten mit der Situation fertig werden könnten«, erwiderte der Abt. »Ob es nun richtig war oder falsch, ich war bis dahin der Ansicht, man müsste ihm Zeit lassen, sich nach seiner so ungeheuer langen Reise wieder einzuleben. Doch an jenem Morgen hatte ich mich entschlossen, ihm ernsthaft vor Augen zu führen, wie sehr sein Verhalten dem Leben in der Abtei schade. Ich ging mit Bruder Lugna zu seiner Zelle. Da wir keinen Zutritt bekamen, ließ ich unseren Schmied rufen, und der trat die Tür ein. Da hatten wir ihn dann endlich vor uns. Ermordet.«
    »Entschuldige, dass ich noch einmal frage«, formulierte Fidelma bedächtig, »bevor er sich so abkapselte, hast du da mit Bruder Donnchad über irgendwelche Dinge gesprochen, die ihn bekümmerten?«
    »Gleich nach seiner Rückkehr haben wir uns des Öfterenunterhalten, aber nicht mehr, seit er sich so sonderbar verhielt, und bestimmt nicht während der letzten Woche.«
    »Worüber habt ihr euch nach seiner Rückkehr unterhalten? Worum ging es hauptsächlich?«
    »Über Verschiedenes. Über die Eindrücke von Land und Leuten, die er während seiner Reise gewonnen hatte, und über die Gabe, die er mitgebracht hatte. Natürlich auch über die Veränderungen in der Abtei, die es inzwischen gegeben hatte, über die neuen Bauvorhaben. Aber er war in gewisser Weise zerstreut. Ich hatte den Eindruck, er war nicht mit ganzem Herzen bei der Sache, und seine Gedanken waren woanders.«
    »Wohin könnte er sich an dem Tag, an dem er die Abtei verließ, begeben haben? Hast du eine Vorstellung? Glaubst du, er hat seine Mutter besucht?«, fragte Fidelma.
    Bruder Lugna schüttelte sofort den Kopf. »Ich habe Lady Eithne gleich gefragt, aber er hat sie an dem Tag nicht besucht, auch nicht an den Tagen davor. Leider haben wir keine Ahnung, wohin es ihn bei seinem letzten Ausritt von hier getrieben hat.«
    Fidelma dachte eine Weile nach und fasste dann zusammen, was sich bislang ergeben hatte. »Du hast uns berichtet, Donnchad sei bei der Rückkehr von seiner Pilgerfahrt über etwas beunruhigt gewesen. Er hatte Angst, jemand könnte die Handschriften entwenden, die er mitgebracht hatte, und verlangte, dass seine Tür mit Schloss und Schlüssel versehen wurde. Eben habt ihr dargestellt, dass er um sein Leben fürchtete. Er benahm sich so, dass du den Eindruck gewannst, man müsste ihm seinen Willen lassen und ihm gut zureden,

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