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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ich bereits versehen, als ihre beiden Söhne fälschlicherweise angeklagt wurden, die Ermordung ihres Vetters Maolochtair, Stammesfürst der Déisi, zu planen. Um dessen Nachstellungen zu entgehen, mussten wir sie drängen, sich auf die Pilgerfahrt zu begeben.«
    »Aufgrund meiner Empfehlung«, stellte Fidelma klar. »Ich hatte geraten, sie sollten die Pilgerfahrt unternehmen und sich so Maolochtairs Verdächtigungen entziehen.«
    »Wie dem auch sei. Mir legt sie all das Unglück zur Last, das ihre Familie getroffen hat.«
    »Hast du das Gefühl, du bist schuld daran?«
    »Sie jedenfalls glaubt das. Und das genügt.«
    »Wie groß ist der Einfluss, über den Lady Eithne im hiesigen Umfeld verfügt?«, fragte Eadulf. »Üblicherweise kommteiner …«, er suchte nach dem richtigen Wort, »einer
baintrebthach
… einer Witwe… keine eigentliche Macht mehr zu.«
    Der Abt wehrte mit raschem Kopfschütteln ab. »Lady Eithne ist auch eine
comthigerna
… eine Gaufürstin, sodass sie nach dem Tode ihres Gatten und obwohl zwei Söhne lebten, Oberherrin des Bezirks blieb. Zwar ist sie dem höchsten Stammesfürsten der Déisi, also Maolochtairs Nachfolger, unterstellt, herrscht aber unumschränkt in ihrem Gebiet.«
    »Hat sie demzufolge selber den Rang einer Stammesfürstin?«
    »Ja. Eine
bancomharba
ist sie, die Erbin der Herrschaft über das Gebiet hier.«
    »Kannst du dir vorstellen, was sie mit den Intrigen und der Missgunst in der Abtei meinte? Intrigen, die gegen Bruder Donnchad gerichtet waren?« Fidelma versuchte auf ihr Hauptanliegen zurückzukommen.
    »Mir ist nichts dergleichen bekannt. Es ist das erste Mal, dass ich davon aus Lady Eithnes Mund erfahre. Doch ich fürchte, sie sieht in mir den Schuldigen.«
    Eadulf überlegte. »Bruder Donnchad hatte einen
anam chara
, einen Seelenfreund, wie wir wissen, mit dem er besprach, was ihn bedrückte, dem er sein Herz öffnete. Er müsste uns mehr darüber erzählen können.«
    Der
anam chara
war nicht das, was ein Beichtvater in der römischen Kirche ist. Der Seelenfreund war jemand, dem man seine geheimsten Gedanken anvertraute, mit dem man seine Probleme erörterte. Es war jemand, mit dem man über seine Zweifel und Gefühle sprach, der einem Beistand leistete und der einen, wo möglich, lenkte auf dem Pfad zur geistlichen Vollkommenheit. Die Sitte, einen
anam chara
unddamit ein solches Vertrauensverhältnis zu einem Menschen zu haben, war uralt, hatte sich lange vor dem Neuen Glauben entwickelt und war nach Eadulfs Ansicht besser, als einem Priester gewisse Sünden zu beichten, die andere als solche benannt hatten und für die der Priester Bußstrafen verhängen konnte.
    »Sein Seelenfreund?«, erwiderte der Abt. »Das war Bruder Gáeth. Bruder Donnchad hat einen großen Teil seiner Zeit mit Bruder Gáeth verbracht. Sie kannten einander seit Kindertagen. Er war Bruder Donnchads
anam chara
, bevor der zur Pilgerfahrt aufbrach.«
    »Dann müsste er uns doch sagen können, was Bruder Donnchad so in Unruhe versetzte«, warf Eadulf ein.
    Bruder Lugna war wieder zu ihnen gestoßen, nachdem er Lady Eithne verabschiedet hatte. Fidelma entging nicht der sorgenvolle Blick, den der Abt seinem Verwalter zuwarf.
    »Ich fürchte, viel wirst du von Bruder Gáeth nicht erfahren«, äußerte sich Bruder Lugna, der Eadulfs Überlegung beim Hereinkommen gehört hatte. »Nach Bruder Donnchads Rückkehr ist ihre Freundschaft nicht wieder aufgelebt. Bruder Gáeth wurde sogar verboten, sich ihm auch nur zu nähern.«
    »Verboten? Von wem?«, wollte Fidelma wissen.
    »Von niemand anderem als Bruder Donnchad selbst«, erklärte ihr der Verwalter.
    »Dessen ungeachtet werden wir mit Bruder Gáeth sprechen«, beharrte Fidelma. »Seit wann hat sich Bruder Donnchad von allen anderen abgesondert? Vermutlich ist doch einige Zeit verstrichen zwischen seinem Wiedereintritt in die Gemeinschaft und seinem Sich-Abschließen von der Umwelt?«
    »Er ist im Frühsommer zurückgekehrt. Die wirklichernsthaften Probleme begannen drei oder vier Tage vor seinem Tod«, gab Bruder Lugna Auskunft. »Ich habe ihn erst kennengelernt, seit er von der Pilgerfahrt zurück ist, kann also nicht sagen, ob sich sein Charakter gegenüber früher verändert hat. Ich kann nur bestätigen, dass er sich stets wie ein Eigenbrötler verhalten und mit niemandem über seine Ansichten gesprochen hat.«
    Der Abt stimmte dem mit kaum merklichem Kopfnicken zu und ergänzte: »Es fiel auf, dass er nach seiner Rückkehr oft in sich gekehrt

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