Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
seinerzeit mit Flandait, der Tochter von Cuanan, und einigen weiteren Frauen in Lios Mór eine klösterliche Gemeinschaft gegründet, denn dort am Fluss lebte bereits die heilige Caimel als Einsiedlerin. Die war dann folgerichtig zur Vorsteherin der Frauengemeinschaft gewählt worden. War Abt Iarnla tatsächlich dabei, in der Abtei nach und nach getrennte Häuser für Männer und Frauen einzurichten, um sich den Idealvorstellungen des Zölibats anzunähern? Fidelma hatte nicht den Eindruck, dass Frauen gleichberechtigt an der Leitung des gemeinschaftlichen Lebens teilnahmen wie bei ihrem letzten Besuch.
    Auch Eadulf fiel auf, dass nur wenige Frauen in der Halle waren und dass sie alle am unteren Ende des
refectoriums
ihre Plätze hatten. Die Tafel des Abts befand sich am Kopfende der Speisehalle auf einem erhöhten Podium. Dort saßen Abt Iarnla, sein Verwalter und einige andere Geistliche und nahmen ihr Mahl ein. Aus der Zusammensetzung am Tisch war ersichtlich, dass alle maßgeblichen Posten in der Abtei mit Männern besetzt waren.
    Sie selbst wurden an einen Tisch an der Seitenwand der Halle geführt. Eadulf wusste aus Erfahrung, als Schwester des Königs wurde Fidelma stets ein Ehrenplatz zugestanden. Sie ließ sich jedoch keine Verärgerung anmerken, mit einem minderen Platz vorliebnehmen zu müssen, was einer Verletzung natürlich gebotener Höflichkeit gleichkam.
    An ihrem Tisch saßen bereits zwei Fremde, die sich ihnen vorstellten. Glassán war der eine, ein Mann in mittlerenJahren, mit gleichmäßigen Gesichtszügen, strahlendblauen Augen, drahtigem braunem Haar und einem Kinn mit Grübchen. Er sah aus wie jemand, der sich bei Wind und Wetter meist im Freien aufhält, und unter seiner Kleidung zeichnete sich ein kräftiger muskulöser Körper ab. Seinen Begleiter, der Saor hieß, behandelte er von oben herab. Der Mann war schlank, sehnig und sonnengebräunt, die Augen standen eng beieinander.
    »Seid ihr Gäste der Abtei?«, erkundigte sich Fidelma, während sie sich setzten. Sie war neugierig geworden, denn fromme Brüder waren die beiden gewiss nicht.
    »In gewisser Weise schon«, erklärte Glassán und grinste dabei selbstgefällig. »Wir sind so etwas wie Dauergäste und sogar ziemlich wichtige.«
    »Dauergäste
und
wichtige dazu«, fragte Gormán und bemühte sich um einen sachlichen Ton, doch in seinen Augen blitzte es. »Was für Würdenträger seid ihr, dass uns die Ehre zuteil wird, an eurem Tisch sitzen zu dürfen?«
    »Ich bin ein
ailtíre
«, erklärte der stämmige Glassán stolzgeschwellt. »Saor ist mein Zimmermann und Gehilfe.«
    »Das heißt, du bist der … der Baumeister hier?«, versuchte Eadulf sich den Fachausdruck zu übersetzen.
    »Ich habe die Aufgabe übernommen, die Abtei umzubauen«, erklärte Glassán großspurig.
    »Uns ist bereits aufgefallen, welche Veränderungen hier vor sich gehen«, sagte Gormán. »Etliche Steinbauten stehen da, wo früher nur Blockhäuser waren, soweit ich mich erinnere.«
    »Da hast du völlig recht, junger Freund. Seit drei Jahren bin ich hier und von der Abtei beauftragt, das Baugeschehen zu leiten.«
    »Das ist gewiss eine gewaltige Aufgabe«, flocht Eadulf bewundernd ein.
    »Unter meiner Aufsicht arbeitet eine ganze Schar von Bauleuten, darunter einige der besten Steinmetze aus südlichen Landen.«
    »Die Abtei muss reich sein, wenn sie sich eine derartige Umgestaltung leisten kann«, bemerkte Gormán.
    Der Baumeister schnitt eine Grimasse. »Danach solltest du lieber Bruder Lugna fragen. Mein Verdienst ist in den Fénechus-Gesetzen genau geregelt, wie auch die Entschädigung, wenn ein Handwerker auf dem Bau einen Unfall hat.«
    Eadulf blickte überrascht auf, und Fidelma erklärte ihm: »Ein Baumeister steht auf derselben Stufe wie der gewählte Nachfolger eines
bo-aire
, und das bedeutet, sein Ehrenpreis beträgt zwanzig
seds
, also den Wert von zwanzig Milchkühen.«
    Glassán gönnte ihr einen anerkennenden Blick. »Du kennst dich wohl in den Gesetzen aus, Schwester?« Er lachte aber sogleich über sich selbst und fuhr fort: »Ja, natürlich, du bist die
dálaigh,
von der die Brüder in den letzten Tagen geredet haben. Du wirst uns aufklären über den Geistlichen, der gestorben ist.«
    »Hast du ihn gekannt?«
    »Ihn gekannt? Wir sind viel zu beschäftigt und haben keine Zeit zum Umgang mit den Brüdern, selbst wenn sie umgänglicher wären.« Er grinste bei seinem Witz, über den jedoch niemand lachte.
    »Zwanzig
seds
ist eine recht

Weitere Kostenlose Bücher