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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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lang sie war. Das könnte den Beweis erbringen, dass man über eine Leiter sehr wohl in die Zelle hätte gelangen können. Er musste sich auf der Stelle Gewissheit verschaffen und wollte nicht noch bis zum Morgen warten. Fidelma brauchte nicht zu merken, dass es ihn wurmte, wie rasch sie seine Idee von der Hand gewiesen hatte. Sollte die Leiter lang genug sein, würde er auf seiner Auffassung bestehen können.
    Er griff nach der Kerze neben der Bettstatt und brauchte einige Zeit, bis es ihm in der Dunkelheit gelang, mit seinem
tenlach-teined
, der Zündbüchse, die Stahl und Feuerstein enthielt, eine Flamme zu entfachen. Eadulf hatte über die Jahre einige Geschicklichkeit mit dem
tenlam
oder Handfeuer entwickelt. Gormán hatte ihn unterwiesen. Die Krieger setzten ihren Stolz darein, mittels Stahl, Feuerstein und Zunder schneller als jeder andere Feuer zu entzünden. Das gehörte zu ihrer Ausbildung. Eadulf streifte sich die Kutte über und schlüpfte in die Sandalen, nahm die Kerze und stieg rasch und lautlos hinunter in den Hof der Abtei. Schweigend umfingen ihn die dunklen Schatten der Bauwerke. Hier und dort brannte die Nacht über eine Laterne am Portal und auch vor den Türen der größeren Häuser und warf einen flackernden Schein auf ihre Umgebung.
    Eadulf schaute sich um und vergewisserte sich, ob außerihm niemand unterwegs war und alles still blieb. Der helle zunehmende Mond war hinter Wolken verschwunden, sodass ihm das Licht der Laterne sehr gelegen kam. Mit schnellen Schritten ging Eadulf über den Innenhof und hoffte, dass seine Sandalen nicht zu laut auf die Steinplatten klatschten. Der sprudelnde Brunnen überdeckte das Geräusch seiner Tritte. Die ganze Abtei und ihre Bewohner waren in einen gesegneten Schlaf versunken. Nicht einmal der einsame Ruf eines Wolfs, den die Wälle der Abtei fernhielten, schien ihren Schlummer zu stören. Als er an der Bibliothek vorbeiging und auf die Baustelle gelangte, teilten sich die Wolken, und der fast volle Mond goss sein ätherisches, bläuliches Licht über die halbfertigen Mauern. Die Wände des unteren Teils des Gebäudes reichten schon bis zur Höhe der Fenster, es fehlten nur die Stürze über den Fensteröffnungen, dann könnten sie weiterwachsen. Bei der Eingangstür hatte er den Eindruck, dass der Sturz bereits gelegt war, nur schien er in einem merkwürdigen Winkel gesetzt zu sein.
    Eadulf blieb stehen und lauschte. Ihm war, als hätte er etwas gehört, doch er konnte nur eine Eule ausmachen, die irgendwo im Gerüst über ihm saß.
    Angestrengt hielt er nach der Leiter Ausschau, konnte sie aber nirgends erspähen, und so schlich er auf die Türöffnung zu. Dann ereignete sich alles innerhalb weniger Sekunden. Er hörte ein Knirschen, ein Schurren von Stein auf Stein. Um zu sehen, woher das Geräusch kam, hob er die Kerze und vernahm im gleichen Moment hinter sich ein Japsen aus menschlicher Kehle. Gleich darauf stieß ihn etwas mit Wucht in den Rücken. Der Stoß war so kräftig, dass ihm die Kerze aus der Hand fiel und fortgeschleudert wurde. Er prallte mit dem Kopf gegen ein Hindernis vor ihm. Ihm war, als blitzte es hell auf, und dann umfing ihn pechschwarze Nacht.

KAPITEL 11
    Widerstrebend glitt Eadulf ins Bewusstsein zurück. Heftiger Schmerz hämmerte in seinem Kopf. Um ihn herum war es taghell, er lag auf einem Bett, und jemand beugte sich über ihn. Eine Stimme, die er nicht einordnen konnte, sagte: »Oha, gut. Wie fühlst du dich?«
    Eadulfs Mund war trocken, er versuchte mit der Zunge die Lippen zu befeuchten. Antworten konnte er nur heiser röchelnd und glaubte, es sei nicht seine Stimme, die die Worte ausstieß: »Als wäre ein ganzes Haus auf mich gestürzt.«
    »Weißt du, wer du bist?«
    »Eadulf«, erwiderte er ohne Zögern, »Eadulf von Seaxmund’s Ham.«
    »Weißt du, wer ich bin?«
    Angestrengt blickte er hoch. Der Schmerz verschleierte alles, aus dem Nebel vor ihm schälte sich ein Gesicht heraus, er erkannte es. »Du bist der Arzt … Bruder Seachlann.«
    »Großartig. Ich gebe dir jetzt etwas zu trinken, danach wirst du dich besser fühlen.«
    »Wo bin ich?«, fragte der Verletzte und richtete sich auf. Im Bett des Gästehauses war er jedenfalls nicht. Ein durchdringender Geruch von Kräutern erfüllte den Raum.
    »Im
bróinbherg,
wie es alle nennen. Ich nenne es unser kleines Hospital in der Abtei.«
    »Wie bin ich hierhergeraten?«
    »Du stellst zu viele Fragen. Trink erst einmal das hier, es wird die Kopfschmerzen

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