Der Blutkelch
hat«, höhnte er.
»Wenn du damit Bruder Gáeth meinst, versichere ich dir, dass er es nicht war, von dem ich das erfahren habe. Außerdem ist er alles andere als einfältig, wie wir herausgefunden haben. Wer mich davon in Kenntnis gesetzt hat, werde ich dir nicht sagen. Aber du kannst mir glauben, Bruder Gáeth war es nicht. Ich würde es sehr bedauern, hören zu müssen, dass er wegen dieses bloßen Verdachts bestraft wird.« In ihrer Stimme war keinerlei Angriffslust, sie traf rein sachlich ihre Feststellungen.
Der Abt war ungehalten. »Natürlich wird Bruder Gáeth nichts widerfahren.« Er machte eine Pause, denn er fühlte sich etwas in Bedrängnis, und stellte dann seinem Verwalter die Frage: »Gibst du zu, dass Fidelmas Aussage zutreffend ist, Bruder Lugna? Hast du Angehörigen unserer Bruderschaft nahegelegt, ihr nicht behilflich zu sein?«
Der Verwalter zögerte, sodass Fidelma weiterredete: »Die Art und Weise, wie der Arzt auf meine Fragen antwortete, war höchst ungewöhnlich. Ein Arzt, der sich bemüht, einer Befragung durch eine
dálaigh
bei den hohen Gerichten auszuweichen, benimmt sich meiner Erfahrung nach – ich wiederhole – höchst ungewöhnlich. Ich fand bald heraus, er tates nicht von sich aus, man hatte ihm bedeutet, sich so zu verhalten.«
»Aber warum, Bruder Lugna, warum?«, drängte der Abt.
Der Verwalter zuckte die Achseln. »Ich habe meine Ansichten nicht geändert, seit du meine Empfehlung ausgeschlagen hast, Abt Iarnla«, verteidigte er sich. »In dieser Abtei brauchen wir keine Außenseiter, die ihre Nasen in die Angelegenheiten der Bruderschaft stecken.«
»Nur wäre zu bedenken, diese Abtei ist nicht losgelöst von dem Königreich, in dem sie gelegen ist«, bemerkte Eadulf. »Sie muss sich den Gesetzen des Königreichs beugen.«
»Was willst du davon wissen, Angelsachse?«, spottete der
rechtaire
.
»Eadulf von Seaxmund’s Ham ist mein Gemahl und gehört daher zum engeren Kreis derjenigen, die meinen Bruder, den König, beraten«, erklärte Fidelma ohne Umschweife. »Seine Feststellung ist zutreffend. Die Gesetze des Landes gelten auch in dieser Abtei, sie ist nicht davon ausgenommen.«
»Viele Abteien haben die Bußgesetze übernommen und legen Wert darauf, sich eigene Regeln zu geben«, erwiderte Bruder Lugna.
»Schon wieder das Kirchenrecht«, warf Eadulf ein. »In dieser Abtei gelten nicht die Bußgesetze.«
»Verheiratete Männer und Frauen soll es in der Klostergemeinschaft nicht mehr geben«, behauptete der Verwalter.
»Bei uns schon. In unserem Glauben gibt es keine Vorschriften über das Zölibat, nicht einmal in Rom.«
»Bisher noch nicht.«
»Wollen hoffen, dass es sie nie geben wird. Das hieße doch, dem Wesen des Menschen zu widersprechen, so wie Gott ihn geschaffen hat«, entgegnete Eadulf aufgebracht.»Ist es nicht eher eine Verunglimpfung der Schöpfung Gottes als ein frohgemutes Sich-Drein-Fügen?«
Fidelma schmunzelte und legte wohlwollend eine Hand auf Eadulfs Arm. »So kann man es sehen«, stimmte sie ihm zu. »Doch wir sind nicht hier, um darüber zu reden, wie der Glaube auszulegen ist. Wir reden über Recht und Gesetz, als deren Vertreter ich hier bin. Es gibt eine Aufstellung von zu verhängenden Strafen, wenn jemand versucht, einem
dálaigh
in einem Mordfall Beweismaterial zu verheimlichen, Bruder Lugna.« Ihre weiteren Ausführungen richtete sie an den Abt. »Möglicherweise ist sich Bruder Lugna nicht bewusst, dass jemand, der Beweismaterial verschwinden lässt, Falschaussagen macht oder andere dazu anstiftet, seinen Ehrenpreis verwirkt. Sollte Bruder Lugna einen Brehon davon überzeugen können, dass er in Unkenntnis gehandelt hat, halbiert das die Strafe, und ihm verbleibt die Hälfte seines Ehrenpreises.«
Der Verwalter biss sich auf die Lippen und sah die Anwältin feindselig an, schwieg aber.
Abt Iarnla breitete hilflos die Hände aus wie jemand, der den Vorgängen nicht folgen kann. »Ich bin sicher, wenn der
rechtaire
getan hat, wessen du ihn beschuldigst, dann hat er gehandelt, ohne die Gesetze des Königreichs zu kennen.« Fast klang es, als wollte er ihn in Schutz nehmen.
»Anders kann ich es mir auch nicht vorstellen«, verkündete sie ernst. »Niemand würde doch so töricht sein, seinen Ehrenpreis aufs Spiel zu setzen. Dass er sich gegen deine Anordnungen als Abt wendet, ist eine Sache, die lediglich Zucht und Ordnung in der Abtei betrifft. Ich nehme ihm ab, dass er aufgrund seiner Überzeugung gehandelt hat, er stünde
Weitere Kostenlose Bücher