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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ihnen«, versuchte er sich zu rechtfertigen.
    »So kamst du also in meines Bruders Königreich«, sagte sie und erinnerte ihn damit vorsichtig an ihre Stellung im Land. »In diesem Königreich hat eine
dálaigh
, wie du sicher von unserer ersten Begegnung her weißt, eine gewisse Autorität, umso mehr, wenn besagte Autorität sich auch auf Herkunft und Stand berufen kann. An sich spielen Herkunft und Stand vor Gericht keine Rolle, es sei denn, jemand ist nicht gewillt, die Autorität einer Anwältin ernst zu nehmen.«
    Einige Augenblicke herrschte Schweigen. Er senkte den Blick zu Boden.
    »Ich bitte um Verzeihung, Lady«, erwiderte er betroffen. »Nach deiner Ankunft hielt man mich dazu an, mit meinen Auskünften, die ich dir geben würde, zurückhaltend zu sein. Von Herkunft und Stand deiner Person war keine Rede.«
    »Und natürlich war es Bruder Lugna, der das von dir erwartete?«
    Er schien betreten.
    »Ist schon gut, Bruder Seachlann. Zum Abendessen im
refectorium
warst du gestern wohl nicht, oder?«
    Er verneinte mit einer Kopfbewegung.
    »Darf ich fragen, wo du warst? Selbst ein Arzt muss etwas zu sich nehmen.«
    »Man hatte mich zu einem Patienten gerufen. Ich kam erst nach Einbruch der Dunkelheit in die Abtei zurück.«
    »Wer war der Kranke?«
    »Ein Krieger von einer Burg in der Nähe.«
    »Und das war welche?«
    »Die Burg von Lady Eithne.«
    »Was fehlte dem Krieger?«
    »Er hatte eine Wunde, die eiterte. Das war nicht weiter kompliziert; eigentlich gab es keinen Grund, mich zu holen. Einer, der sich auf Kräuter versteht, oder auch Lady Eithne selbst, hätte genauso gut helfen können. Lady Eithne weiß über Heilkräuter und Anatomie durchaus Bescheid, hielt es aber unter ihrer Würde, einen ihrer Krieger zu behandeln.«
    »Die Wunde eiterte, sagst du?«
    »Es hieß, der Mann hätte mit seinem Schwert geübt und sich eine Schnittwunde am Arm beigebracht, die er nur ausgewaschen hatte. Ich habe Sauerampfer und Apfelsaft gemischt und mit dem Weiß von einem Hühnerei auf die Wunde aufgetragen. Wenn er die Wunde sauber hält, dürfte es keine Probleme geben.«
    »Du kamst also erst im Dunkeln von der Burg zurück?«
    »So ist es.« Er zögerte kurz und fragte: »Und wenn ich zum Abendessen hier gewesen wäre, was dann?«
    »Dann hättest du miterlebt, wie der Verwalter dieser Abtei nicht umhin kam, mich als Autoritätsperson anzuerkennen. Ich hatte bereits erfahren, dass er es war, der dich und auch andere schlecht beraten hatte.«
    »Ich hätte es besser wissen müssen«, gab der Heilkundige kleinlaut zu.
    »Das wäre vernünftiger gewesen, ja«, pflichtete sie ihm bei. »Aber da du erst seit wenigen Wochen hier bist …« Sie zuckte mit den Schultern. »Wieso bist du eigentlich ausgerechnet hier gelandet?«
    Wieder huschte Argwohn über sein Gesicht.
    »Lios Mór wird hochgelobt wegen seiner Gelehrten und seiner Gelehrsamkeit. Einer solchen Gemeinschaft anzugehören ist kein Fehler.«
    »Wo hast du studiert? Wenn ich mich recht erinnere, hast du von Sléibhte gesprochen.«
    »Das ist richtig. Ich habe an der medizinischen Schule studiert, die zur Abtei von Sléibhte in Laighin gehört.«
    »Die kenne ich, denn ich war einmal in Cill Dara, und das ist nicht weit davon. Aedh ist Abt in Sléibhte, nicht wahr?«
    Er brummte zustimmend.
    »Da siehst du mal, so klein ist die Welt!«
    »Dann wirst du auch wissen, dass zwischen Lios Mór und der Abtei von Sléibhte ein enger Kontakt besteht. Es ist also nicht weiter befremdlich, dass es mich hierherverschlagen hat.« Er sprach mit fester Stimme, hatte das Bedürfnis, sich ins rechte Licht zu setzen.
    »Dagegen gibt es nichts zu sagen.«
    Fidelma merkte, dass sie dem Arzt kaum etwas Brauchbares entlocken konnte. Obwohl er sich den Anschein gab, ihre Fragen zu beantworten, schien er entschlossen, so wenig Auskunft wie möglich zu geben. Sie dankte ihm für seine Hilfe und überließ ihn seinen Kräutern und Heilsäften.
    Langsam schlenderte sie hinüber zur Baustelle. Es war eine ziemliche Strecke, die der Arzt den bewusstlosen Eadulf im Dunkeln hatte schleppen müssen, ging ihr dabei auf. Fastwar sie versucht, Bruder Seachlann zu fragen, wer ihm dabei geholfen hatte. Ganz offensichtlich verbarg er etwas vor ihr, doch ihn direkt zur Rede zu stellen, würde nicht weiterhelfen.
    Es war inzwischen Spätnachmittag geworden, und es verwunderte sie sehr, die Baustelle um diese Zeit schon verlassen vorzufinden. Man hörte kein Hämmern, kein Sägen, kein Behauen von

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