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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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entschuldigend zu und zog den Alten mit sich.
    Danach ließ man sie in Ruhe, und sie konnten sich ungestört ihrer Mahlzeit widmen. Eine beklemmende Stilleherrschte im Saal. Hin und wieder bemerkten sie verstohlene Blicke, die ihnen galten. Die Stimmung übertrug sich auf sie, und sie verspürten wenig Lust, sich zu unterhalten. Nach dem Speisen wanderten sie etliche Male um den Innenhof zum besseren Verdauen. Fidelma berichtete von ihren Gesprächen mit dem Arzt, der auch diesen Abend nicht im
refectorium
erschienen war, und mit dem Jungen. Viel dazu zu sagen gab es nicht, und Fidelma erinnerte Eadulf daran, dass sie Lady Eithne auf ihrer Burg aufsuchen wollte. Eadulf versicherte ihr, er wäre durchaus in der Lage, sie zu begleiten, falls sie schon am nächsten Morgen dorthin reiten wolle. Gormán lebte förmlich auf bei dem Gedanken. Für ihn waren die Tage in der Abtei eintönig und langweilig. Man einigte sich, den Ausflug am nächsten Morgen zu unternehmen.
     
    Ein sachtes Klopfen an der Tür weckte Fidelma. Es war noch dunkel, auch hatte sie nicht das Gefühl, schon lange geschlafen zu haben.
    Sie schwang sich aus dem Bett, warf sich das Gewand über und war für das Mondlicht dankbar, das die Kammer erhellte und ihr ersparte, sich mit dem Anzünden einer Kerze abzumühen.
    »Gleich, Eadulf.« Es konnte nur er sein, der sie zu so ungewöhnlicher Zeit wach machte. Sie zog die Tür auf.
    Draußen stand Abt Iarnla, hielt in einer Hand eine Laterne und versuchte mit der anderen vergeblich, den Schein etwas abzuschirmen.
    Fidelma starrte ihn verwundert an.
    »Ich bitte um Verzeihung, Schwester«, stammelte der Abt leise. »Ich muss dringend mit dir sprechen und ohne dass uns jemand mit gespitzten Ohren zuhört. Deshalb habe ich gewartet, bis alle schlafen.«
    Stumm hielt Fidelma die Tür auf, ließ den Abt eintreten und vergewisserte sich, dass niemand draußen im dunklen Gang stand. Dann schloss sie die Tür, ging zu dem einzigen Stuhl im Raum, über dem ihre Kleider hingen, nahm sie, legte sie auf dem Fußende des Bettes ab und bat den alten Abt, Platz zu nehmen. Er tat es und stellte vorsichtig die Laterne auf dem gleich daneben stehenden Tisch ab. Fidelma setzte sich auf die Bettkante und wartete.
    »Du musst mir glauben, Fidelma, ich bin kein Trottel«, begann er.
    »Nie käme mir so etwas in den Sinn. Du hast mir neulich erst erzählt, dass du seit über dreißig Jahren zu dieser Gemeinschaft gehörst und ihr seit geraumer Zeit als Abt vorstest.«
    Er nickte bedächtig.
    »Ich kann mir vorstellen, was ihr beide, du und Eadulf, denkt. Der arme Iarnla. Er muss senil sein. Er hat sich die Leitung der Abtei von dem jungen Emporkömmling von den Uí Briuin Sinna aus der Hand nehmen lassen. Du brauchst es nicht zu leugnen. Ich weiß von vielen in der Abtei, von vielen Brüdern, dass sie genauso denken.«
    Fidelma lächelte milde.
    »Senil bist du gewiss nicht, Abt Iarnla«, beschwichtigte sie ihn. »Aber eins bedarf dennoch einer Erklärung. Warum überlässt du diesem jungen Mann, der sich doch augenscheinlich erst vor wenigen Jahren der Gemeinschaft hier angeschlossen hat, derart viel Macht? Er ist intolerant und fanatisch in seinen Glaubensauffassungen, vertritt Ansichten, die nichts mit dem Ruf von Lios Mór gemein haben.«
    Die Körpersprache des alten Abtes sagte eigentlich alles.
    »Ich bin nicht so blind, dass ich nicht bemerke, wie selbstherrlich und dogmatisch Bruder Lugna ist und was die Mitbrüder von ihm halten.«
    »Warum überlässt du ihm dann so viel Macht?«
    »Es liegt nicht an mir. Er reißt sie an sich, und ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll.«
    »Das musst du mir erklären.«
    »Als Bruder Lugna zu uns kam, hatte er, wie du weißt, etliche Jahre in Rom verbracht. Auf dem Weg in seine Heimat in Connachta kam er an der Burg von Lady Eithne vorbei, die ihm ihre Gastfreundschaft erwies. Ihre beiden Söhne waren zu der Zeit auf Pilgerfahrt ins Heilige Land. Sie lud daher Bruder Lugna ein, etwas länger zu bleiben, sie wollte von ihm Näheres über derartige Reisen erfahren. Ich glaube, sie versprach sich davon Hoffnung auf eine sichere Rückkehr ihrer Söhne.«
    »Das wäre verständlich«, räumte Fidelma ein.
    »Ja. Sie schien von Bruder Lugna, seinen Erzählungen und seinen Vorstellungen fasziniert. Es ging so weit, dass sie ihm vorschlug, sich unserer Gemeinschaft anzuschließen. Anfangs gab er sich offen und liebenswert. Dann wurde mein alter Verwalter, der sich von der Gelben Pest

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