Der Blutkelch
Frage. Gott hat ihn uns gesandt.Zugegeben, ich selbst wusste nie, wohin der Weg Christi wirklich führte, doch dann hat ihn mir Bruder Lugna in aller Wahrhaftigkeit gewiesen.«
»Er muss ein mächtiger Fürsprecher des Glaubens sein«, bemerkte Fidelma milde.
»Er hat mich dazu gebracht, nach der Wahrheit zu suchen, ein Bedürfnis, das selbst meine Söhne nicht in mir zu wecken vermochten.«
»Ich habe erfahren, dass du eine Sondergenehmigung zum Ausleihen von Handschriften aus der Bibliothek hast. Bruder Donnán brachte dir die Sendschreiben der heiligen Apostel zum Lesen.«
Lady Eithne machte vor Verwunderung große Augen, fasste sich aber sogleich. »Du hast ein scharfes Auge und ein gutes Ohr, Lady. Gibt es jetzt schon welche in der Abtei, die etwas dagegen haben, dass ich mir derlei Werke ausleihe?«
»Es geschieht mit dem Einverständnis von Bruder Lugna, soviel ich weiß«, entgegnete Fidelma. »Was ich eigentlich fragen wollte, ist, welcher Art die Texte sind, die du ausleihst?«
»Welcher Art?»Sie staunte. »Es sind Epistel von Begründern des Glaubens, nichts weiter. Weshalb interessiert dich das?«
»Pure Neugierde. Aber etwas anderes: Du unterstützt das enorme Vorhaben, die Abtei in neuen Bauten erstehen zu lassen, wie wir hören.«
»Es ist ein Gotteswerk, und mir ist es vergönnt, dabei zu helfen.«
»Aber einen ausgebildeten Baumeister samt allen seinen Arbeitern zu unterhalten ist kostspielig, zumal sich das Baugeschehen über viele Jahre erstreckt.«
»Zweifelsohne hast du Glassán bereits kennengelernt. Erwar Baumeister beim König von Laighin und kam mit den besten Empfehlungen hierher.«
»Ach, ja. Der König von Laighin«, bemerkte Fidelma mit einem angedeuteten Lächeln. »Soviel ich weiß, war Glassán im Königreich von Laighin unerwünscht und hat etliche Jahre in Connachta Zuflucht gesucht. Er trägt die Schuld am Einsturz eines Gebäudes. Durch schlampige Arbeit kamen viele Menschen zu Tode oder wurden verletzt.«
Lady Eithne wurde kreidebleich.
»Woher hast du das?«
»Geschehnisse solcher Art sind auf die Dauer schwer geheim zu halten«, erwiderte Fidelma gelassen. »Und trotzdem soll ihn Bruder Lugna empfohlen haben.«
»Ich kann nur wiederholen, Glassán brachte beste Empfehlungen mit, und seine Arbeit wird sich zu einem großartigen Denkmal für Donnchad gestalten.« Sie versuchte, ihrer Verärgerung Herr zu werden und stand unversehens auf. »Und jetzt müsst ihr mich entschuldigen. Dringende Angelegenheiten warten auf mich.«
Es war fast Mittag, als sie das Abteigelände wieder erreichten. Bruder Echen, der Stallmeister, stand bereit, um ihre Pferde zu übernehmen, und begrüßte sie mit besorgtem Blick.
»Bruder Lugna war gerade hier und wollte wissen, ob ihr zurück seid oder nicht.«
»Wieso interessiert ihn das?«, fragte Fidelma und schwang sich vom Pferd.
»Cumscrad von den Fir Maige Féne ist vorhin in Begleitung einiger Krieger eingetroffen. Er verlangte den Abt zu sehen. Vielleicht hat das damit etwas zu tun.«
Fidelma horchte auf und blickte zu Eadulf.
»Von den Fir Maige Féne? Merkwürdig, dass Lady Eithnes Leibwächter ausgerechnet sie als den Clan erwähnte, von dem sie sich bedroht fühlte.«
»Ihre Hauptsiedlung ist Fear Maighe, ungefähr fünfzehn Meilen westlich von hier«, griff Gormán erklärend ein. »Ich kann nicht gerade behaupten, dass die Leute mir sonderlich sympathisch sind.«
»Dann lasst uns herausfinden, weshalb Bruder Lugna nach uns gefragt hat.«
Gormán blieb bei Bruder Echen, um ihm bei seiner Arbeit zur Hand zu gehen, und Fidelma und Eadulf machten sich auf den Weg zum Gästehaus. Sie hatten die gute Mitte des Innenhofes erreicht, als Bruder Lugna am anderen Ende auftauchte und ihnen mit verdrießlichem Gesicht zurief: »Cumscrad, der Stammesfürst der Fir Maige Féne, ist eingetroffen und verlangt euch zu sehen.«
»Wieso ›verlangt‹?«, erkundigte sich Fidelma.
»Er wusste nicht, dass ihr in der Abtei seid. Dann sprach er mit dem Abt, und nun hat er den dringenden Wunsch, dich zu sehen«, erläuterte der Verwalter gleichgültig.
»Und wo befindet sich Cumscrad jetzt?«
»Abt Iarnla hat ihn in seinen Räumen empfangen und bittet um dein Erscheinen, sobald du in der Abtei bist.«
»Gut. Sage dem Abt, wir kommen gleich; wir machen uns nach dem Ritt nur noch etwas frisch.«
Bruder Lugna wollte etwas erwidern, ließ es aber und eilte davon. Fidelma wandte sich kopfschüttelnd an Eadulf.
»Ich möchte wissen,
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