Der Blutkelch
und die Pferde getränkt werden.«
»Er kann die Pferde zur Schmiede da drüben führen«, entgegnete der Mann und wies in eine Hofecke, wo ein Schmied mit seinem Blasebalg am Wirken war. Dann geleitete er Fidelma und Eadulf über den Innenhof zum Hauptgebäude. Sofort öffneten sich die aus Holz gezimmerten Türen der großen Halle, wo Lady Eithne bereits wartete und sie mit ihrem traurigen Lächeln empfing.
»Es tut gut, euch beide wiederzusehen. Kommt, setzt euch zu mir. Es gibt gleich eine Erfrischung.«
Sie deutete auf zwei bequeme, mit Leder bezogene und mit Kissen gepolsterte Armsessel am Ende der Halle vor einer Feuerstelle. Sie selbst nahm auf einem dritten Armsessel Platz und winkte mit schlanker Hand einem Diener. Wenige Augenblicke später wurden Wein und süßes Gebäck serviert.
»Wie wir hören, fürchtest du einen Übergriff, Lady?«, eröffnete Fidelma das Gespräch, nachdem man einige Höflichkeiten ausgetauscht hatte. »Wem traust du nicht?«
Sie kniff die Augen zusammen. »Wer sagt so etwas?«, fragte sie leise.
»Deine Krieger sind der beste Beweis. Die Söldner auch.«
Lady Eithnes Miene verzog sich zu einem Lächeln. Achselzuckend erklärte sie: »Das liegt doch auf der Hand! Mein Sohn wurde ermordet, wir wissen weder wie noch warum. Mein anderer Sohn hat sich entschlossen, in einem fremden Land zu bleiben. Ich selbst bin eine arme Witwe. Als der alte Maolochtair von den Déisi noch lebte und noch Stammesfürst war, bedrohte man meine beiden Söhne, wie du weißt, und vielleicht sind diese Drohgebärden bei manchen Clanführern auch noch heute wach. Der alte Maolochtair war ein Vetter meines Mannes und glaubte, meine Söhne wären darauf aus, ihn als Stammesfürsten zu stürzen. Einige Verwandte von ihm, sie leben jenseits der Grenzlinie des Großen Flusses, glauben immer noch, unsere Familie hege Ambitionen, die Macht hier an sich zu reißen. Unter solchen Umständen und angesichts der Ermordung des armen Donnchad ist es doch nur natürlich, dass ich mich zu schützen versuche.«
»Nicht, dass ich dir daraus einen Vorwurf mache, Lady. Es ist also keine konkrete Bedrohung, die dich so handeln lässt?«
»Vorsicht ist besser als Nachsicht.«
»Das ist allerdings wahr. Einer deiner Krieger erwähnte auch die angrenzenden Clans – die Uí Liatháin und die Fir Maige Féne. Fühlst du dich wirklich von denen bedroht?«
»Ihre Gebiete grenzen im Süden und Westen an meinen Burgbezirk, und sie haben mich oft um meine Ländereien beneidet.«
»Sie sind doch aber Cashel gegenüber zur Lehnstreue verpflichtet, so wie du auch«, betonte Fidelma.
Lady Eithnes Augen verengten sich zu einem Schlitz. Vermutete sie hinter Fidelmas Worten eine versteckte Warnung?
»Das ist richtig. Doch von den Uí Fidgente im Norden erwartete man auch, dass sie sich Cashel gegenüber treu und ergeben verhalten, aber ihre Erhebung gegen Cashel beweist das Gegenteil.«
»Das lässt sich nicht leugnen«, bestätigte Fidelma. »In sofern ist es schon gut, wenn sich deine Krieger für alle Fälle wappnen. Ich hörte übrigens, einer von ihnen hätte sich während seiner Übungen eine Verwundung beigebracht. Das war doch hoffentlich nichts Ernstes, und die Wunde heilt gut?«
Wieder huschte Verdacht über Lady Eithnes Miene.
»Wer hat dir das erzählt?«
»Du sahst dich veranlasst, nach dem Arzt der Abtei zu schicken.«
»Bruder Seachlann?« Sie zögerte kurz und erklärte verstimmt: »Ich habe keinen eigenen Arzt hier und habe ihn deshalb holen lassen. Ich habe schon Menschen an kleinen Wunden, die nicht richtig versorgt wurden, sterben sehen.«
»Dann hat Bruder Seachlann dem Krieger also helfen können? Das freut mich«, sagte Fidelma mit einem huldvollen Lächeln. »Er kam erst nach Einbruch der Dunkelheit wieder, und seine späte Rückkehr löste in der Abtei einige Sorge aus.«
»Tut mir leid, aber es war schon Abend, als ich nach ihm schickte. Ich bin froh, dass er gut zurück in die Abtei gelangt ist. Hier muss man vor den Wölfen auf der Hut sein. Sie kommen nachts zum Großen Fluss, um ihren Durst zu löschen. Sogar tagsüber hat man sie hier unten schon umherstreifen sehen.«
»Ja, Bruder Seachlann ist wohlbehalten zurückgekehrt.«
»Schön, das zu wissen. Du bist doch aber gewiss nicht hergekommen, um dich nur nach dem Wohlergehen meines Kriegers zu erkundigen?«
»Das stimmt. Wir müssen für unsere Nachforschungen noch einige Dinge klären. Das ist der eigentliche Grund unseres
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