Der Blutkelch
warum Cumscrad mich sprechen will. Gormán hat recht, der Stamm der Fir Maige Féne beugt sich nur widerstrebend der Oberhoheit der Eóghanacht von Cashel.«
»Aber sie erkennen doch deinen Bruder als König an?«
»Mit der gleichen Zurückhaltung wie die Uí Fidgente. Sie sind den Eóghanacht nicht freundlich gesinnt und sind einer der wenigen Clans in Muman, die behaupten, mit der Linie der Eóghanacht-Erbfolge nichts zu tun zu haben. Selbst die Uí Fidgente rechnen sich zu den Eóghanacht. Die Fir Maige Féne jedoch bestehen darauf, ihre Ahnenreihe sei viel älter und ruhmreicher als unsere.«
Eadulf kramte in seinem Gedächtnis. »Ich glaube, ich habe mal gehört, sie verstünden sich auf die Zauberkunst.«
Fidelma schmunzelte. »Sie behaupten, Mugh Ruith sei einer ihrer Vorfahren gewesen. Das war ein einäugiger Druide, der mit seinem Atem den Sturm heraufbeschwören konnte. Er soll mit dem sogenannten Lichtrad gefahren sein, einem Streitwagen aus Silber und kostbaren Edelsteinen, der die Nacht taghell machte und wie ein Vogel durch die Luft flog. In Cnámchaill, nicht weit von Cashel, gibt es eine Steinsäule, von der es heißt, sie sei ein Stück aus diesem großen Rad, das sich zu Stein verwandelt hätte.«
Eadulf schüttelte sich bei dem Gedanken. »Wie kann man sich solch eines Vorfahren rühmen?«
»In Zeiten vor dem Neuen Glauben war Mugh Ruith vermutlich der Sonnengott. Als dann der Neue Glaube die Existenz solcher Götter verneinte, nahm er in unserer Vorstellung menschliche Gestalt an. Ganz früher war dieser Clan für sein Wissen um uralte Überlieferungen bekannt; die Hauptdruiden der Könige von Cashel kamen von dort. Das war, ehe König Oenghus sich zum Christentum bekannte.«
Sie wuschen sich Gesicht und Hände, erfrischten sich und begaben sich zum Gemach des Abts.
Cumscrad war ein großer Mann mit einer tiefen Stimme, die auf andere einschüchternd wirkte. Vom Hauttyp her warer blass, hatte dichtes schwarzes Haar, das ihm bis zu den Schultern reichte, und einen ebenso schwarzen Bart. Die gewölbte Stirn überschattete die dunklen, wie Kiesel glänzenden und tiefliegenden Augen. Dennoch wirkte sein Gesicht wohlgeformt und auf eigene Art sogar schön. Er machte den Eindruck eines Menschen, der es gewöhnt war, Befehle zu erteilen, und dass andere sich ihm unterordneten. Als Bruder Lugna Fidelma und Eadulf hereinführte, erhob er sich höflich.
»Ah, Lady Fidelma. Seit deiner Hochzeit in Cashel habe ich dich nicht mehr gesehen.« Er sprach mit dröhnender Stimme, und seine Worte hallten von den Steinmauern wider. »Und auch wir begegnen uns nicht zum ersten Mal, Eadulf von Seaxmund’s Ham«, begrüßte er Eadulf freundlich und neigte leicht den Kopf.
Eadulf verbeugte sich ebenfalls kurz. Er entsann sich, ihn unter all den adligen Gästen gesehen zu haben, die zu seiner Hochzeit mit Fidelma in Cashel erschienen waren.
»Ich hoffe doch, du bist wohlauf, Cumscrad?«, erwiderte Fidelma dessen Willkommensgruß.
»Körperlich schon, doch nicht im Gemüt«, gab er zur Antwort. Fidelma nahm Platz, und auch er setzte sich wieder. Man hatte ihm einen Stuhl neben Abt Iarnla angeboten, der wie immer besorgt dreinschaute. Bruder Lugna und Eadulf blieben etwas abseits stehen.
»Cumscrad kommt mit beunruhigenden Nachrichten«, erläuterte der Abt. »Als ich ihm mitteilte, dass du Kraft deines Amtes hier weilst, bat er darum, dir etwas unterbreiten zu dürfen.«
»Etwas unterbreiten?«
»Ich wollte Abt Iarnlas Rat einholen, erfuhr von deiner Anwesenheit und dachte, es wäre hilfreicher, deine Meinungzu hören. Vielleicht kann ich über dich beim König, deinem Bruder, Klage einreichen.«
Den einleitenden Worten folgte ein Schweigen. Fidelma wartete geduldig.
»Dir ist sicher bekannt, dass meine Leute den Fluss hier zum Handeltreiben nutzen. Der Große Fluss dient als Wasserstraße, führt von unserem Gebiet an der Abtei vorbei, biegt dann nach Süden ab und fließt bei Ard Mór ins Meer. Unser Volk hat seit ewigen Zeiten an seinen Ufern Handel getrieben.«
»Ich weiß; für deine Handwerker – Schmiede und andere, die Metalle bearbeiten – ist der Fluss eine wichtige Lebensader.«
»Ja. Sie hängen auf Gedeih und Verderb von ihm ab. Unser Land führt zu Recht den Namen Magh Méine, Ebene der Mineralien. Wir fördern Erz, aus dem wir Waren fertigen, die begehrt sind und bis nach Connachta und Ulaidh gebracht werden. Selbst bis auf die andere Seite des großen Wassers.«
»Das ist alles
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