Der Blutkönig: Roman (German Edition)
dass zwei Brüder so verschieden sind?«
»In Wirklichkeit sind wir Halbbrüder. Der gleiche Vater, verschiedene Mütter. Vater war jünger, als er Eldra heiratete – es war eine arrangierte Heirat, um den Frieden mit Trevath zu besiegeln. Soweit ich weiß, hatten sie sich vor ihrem Hochzeitstag nicht einmal gesehen. Aber sie waren sofort sehr verliebt ineinander.
Du darfst nicht vergessen, dass das alles passiert ist, bevor ich geboren wurde, und es wurde auch nie offen darüber gesprochen, weil Vater da ja schon wieder geheiratet hatte. Aber Eldra machte keinen guten Eindruck am Hof. Die Hofdamen fanden sie distanziert und anspruchsvoll. Ihre Laune konnte so finster werden, dass einige der adligen Damen behaupteten, sie sei von einem Dämon besessen. Und sie hatte Schwierigkeiten, einem Erben das Leben zu schenken.«
Tris sah über den dunklen Hof hinaus.
»Trotz alledem liebte mein Vater sie. Und als sie bei Jareds Geburt starb, war Vater am Boden zerstört. Bricen hatte gerade erst den Thron bestiegen – mein Großvater war plötzlich auf der Jagd gestorben – und er hatte keine Ahnung, was er mit einem Baby anstellen sollte. Also blieb es den Dienern überlassen, Jared aufzuziehen und Vater überließ sich zehn Jahre lang seiner Trauer. Bis er meine Mutter traf.«
Er lächelte, als er sich an Sarae erinnerte. »Mutter war wie der Frühlingswind, voller Leben und Energie. Und obwohl es Klatsch gab, weil sie die Tochter einer Zauberin war, schenkte sie Vater binnen eines Jahres nach der Hochzeit einen Sohn. Mich. Kait wurde sieben Jahre später geboren – in den Jahren dazwischen verloren sie drei Kinder.
Ich war immer sicher, Jared würde Kait und mich dafür hassen, dass wir eine Mutter hatten – und dafür, dass wir die Aufmerksamkeit Vaters besaßen. Jared war ein schrecklicher Tyrann, und er hatte immer eine Clique von Adligen um sich, die ihm aufs Wort gehorchten und ihm Beifall klatschten, was immer er tat. Jared hatte Eldras Temperament und ihre düsteren Stimmungen geerbt. Es wurde schlimmer, als er erst Arontala getroffen hatte – oder vielleicht hat Arontala auch ihn gefunden.
Ich weiß nicht, ob Vater erkannte, welche Fehler er mit Jared gemacht hatte oder ob er einfach nur nicht wusste, was er dagegen unternehmen sollte, aber er griff nie gegen ihn durch und Jared wusste das. Mutter und Großmutter taten ihr Bestes, um Kait und mich vor Jared zu schützen, aber ich glaube nicht, dass sie wussten, wie oft er uns fertiggemacht hat.« Er lachte leise und traurig. »Ich wurde ziemlich gut darin, Kräuter aus der Küche zu stehlen, um uns damit Heilumschläge zu machen. Und weil Jared eine Vorliebe dafür hatte, die Diener zu verprügeln, wusste ich nie genau, ob das Küchenpersonal Bescheid wusste. Ich gab mir immer Mühe, das, was ich brauchte, auch wieder irgendwie zu ersetzen, egal, wo es herkam.«
»Es tut mir leid«, meinte Kiara und drehte sich in seinen Armen um, um ihn anzusehen. »Ich wollte keine schlechten Erinnerungen wecken.«
Tris zuckte die Achseln. »Alles, was wir tun, läuft darauf hinaus, dass wir Jared stürzen. Da bleibt es kaum aus, dass ich an ihn denke.« Er schloss die Augen und die Erinnerung an die dunkle Vision kam zurück. Er schob den Gedanken von Kiara und Jared mit Gewalt beiseite.
Sie hob eine Hand, um seine Wange zu berühren. »Was ist los?«
»Nichts«, sagte er fest. Er sah ihr in die Augen. »Ich will, dass du sicher bist, Kiara. Ich weiß, wie Jared ist. Ich würde sterben, bevor ich zulasse, dass er dich verletzt.«
»Das Orakel verfolgte einen bestimmten Zweck, als es mich auf die Reise schickte«, meinte sie und ihre rechte Hand fiel auf ihren Schwertknauf. »Ich kämpfe so gut wie du – vielleicht besser.« Der Hauch einer Herausforderung lag in ihrer Stimme und Tris musste über ihre Kühnheit lachen. »Und bis Arontala zerstört ist, ist Vater – und Isencroft – in Gefahr. Das hier ist auch mein Kampf. Wag es nur ja nicht, mich zu einem dieser verwöhnten Adelsfrauchen zu machen, die ihre Tage damit verbringen, Patiencen zu legen und Taschentücher zu besticken!«
Nach der Anspannung der letzten Woche fühlte sich das Lachen genauso wunderbar an, wie sie so nahe bei sich zu wissen. »Ich würde nicht im Traum daran denken«, versprach er. »Ich liebe dich«, murmelte er und beugte sich hinab, um sie zu küssen. Mehr, als du dir vorstellen kannst , fügte er still hinzu, als sie den Kuss erwiderte. Mehr als das Leben selbst .
E RST VIEL
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