Der Blutkönig: Roman (German Edition)
Gefährte des Betrunkenen spuckte aus, als sie sich an den beiden vorbeischoben. Die zwei machten noch ein paar deftige Bemerkungen und lachten über ihre eigenen Witze, bis sie ihr Zimmer am Ende des Ganges erreichten und die Tür sich hinter ihnen schloss.
Alle schubste Soterius von sich fort, richtete ihre Bluse und glättete ihren Rock. »Lass dir das nicht zu Kopf steigen«, warnte sie ihn und warf ihm ein durchtriebenes Lächeln zu. »Ich denke, das war besser, als sie zu töten und das Blut wegwaschen zu müssen. Und wir haben schließlich alle Opfer in diesem Krieg zu bringen, oder?«
Soterius warf ihr einen säuerlichen Blick zu, der sie auflachen ließ. »Na, komm. Lemus wartet schon.«
Nach einem weiteren Kerzenabschnitt in der Küche war es Soterius endlich wieder warm. Sein Kopf brummte von den Informationsfetzen, die Lemus ihm berichtet hatte: erlauschte Truppenbewegungen, Gerüchte über Jareds Interesse an einer Allianz mit den Nargi, und ungesicherte Erzählungen über Soldaten in den Städten, die geschickt wurden, um Andersdenkende festzunehmen. Es dämmerte schon fast, als Soterius endlich zur Scheune zurückkehrte und obwohl er dachte, dass seine Gedanken und Sorgen ihn wachhalten würden, war seine Erschöpfung größer.
Der Schlaf fand ihn schnell.
KAPITEL NEUN
V ON GANZEM H ERZEN gab Staden Tris seine Erlaubnis, in den Wochen bis zur Wintersonnenwende für die Geister Hof zu halten. Das sprach sich schnell herum, und Tris war entsetzt, wie viele Bittsteller, Lebende, Tote und Untote auftauchten, um den Segen des ersten Seelenrufers zu erhalten, den das Königreich seit Jahren gesehen hatte. Schon wenige Tage nachdem er aus der Zitadelle zurück war, begann Tris die ruhelosen Seelen zu empfangen. Innerhalb einer Woche war der Palast Stadens so überfüllt, dass Tris nicht mehr alle Bittsteller an einem Tag sehen konnte. Viele kampierten außerhalb des Palasts, wo immer es die Wachen gestatteten und warteten, bis sie an der Reihe waren. Je näher die Wintersonnenwende rückte, desto wichtiger schien es den Bittstellern und den Geistern zu werden, die Dinge noch vor diesem Tag zurechtzurücken. Staden sah häufig vom hinteren Teil der Großen Halle aus zu und schüttelte seinen Kopf vor Bewunderung über Tris Gabe, zwischen den Lebenden und den Toten zu vermitteln.
Viele der Wiedergänger in der Großen Halle konnten von niemandem gesehen werden, außer von Tris. Diese Geister hatten nicht die Kraft, sich jemandem zu zeigen – es sei denn in der Nacht des Totenfestes, das Spuken genannt wurde. Andere, stärkere Geister waren das ganze Jahr hindurch sichtbar. Die Leute der Winterkönigreiche erwarteten, dass ihre Lieben nach dem Tod bei ihnen blieben. In Margolan beispielsweise richteten die Haushalte bei der Abendmahlzeit symbolisch einen Teller mit Speisen her, um die dahingeschiedenen Anverwandten einzuladen. Einige der frömmeren Häuser hatten sogar einen »Geisterraum«, eine kleine Kiste mit winzigen Möbeln und kleinen Nachbildungen persönlicher Habseligkeiten, um die Familiengeister respektvoll und bequem dazu zu bringen, bei ihnen zu bleiben.
In den Winterkönigreichen gehörte es zum Alltag, mit den Geistern zu leben, die meisten verschwendeten nicht mehr Gedanken daran als an die nächste Mahlzeit oder an ihre täglichen Geschäfte. Geister und Untote waren ein Teil des Lebens, auch wenn Tris schnell klar wurde, dass viele Komplikationen und schiefgegangene Beziehungen sogar den Tod überdauerten.
Frauen kamen, um ihre verstorbenen Mütter und Großmütter um Rat zu bitten. Ehemänner, Söhne und Brüder wollten Frieden schließen, um Verzeihung bitten oder hatten Mühe, einen Geist zu bannen. Geister baten Tris, ihrer Familie Nachrichten zu überbringen oder etwas Wichtiges auszurichten, das sie im Leben nicht hatten tun können. Ruhelose Geister suchten Wiedergutmachung und die Hilfe eines Seelenrufers, um den letzten Weg zur Lady gehen zu können. Sogar Vayash Moru kamen und versuchten, die Seele ihrer sterblichen Vergangenheit wiederzufinden. Lebende, Tote und Untote – sie füllten den Audienzsaal und die Halle dahinter und warteten darauf, dass Tris ihnen half. Es war gut, dass die meisten Geister kein Eingreifen eines Seelenrufers für die Passage in die andere Welt benötigten, dachte Tris. Die meiste Zeit betraf sein Wirken beim Hof der Geister nur die Seelen, die zu bleiben wünschten oder von einer Tragödie oder von einer Schuld der Lebenden in dieser Welt
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