Der Blutkönig: Roman (German Edition)
gebunden waren. Unter den Lebenden waren die ohne einen dringenden Wunsch damit zufrieden, bis Spuken zu warten, um mit den Toten zu sprechen. Die meisten opferten Bier und Honigkuchen rund um den kleinen Altar, der in den meisten Häusern aufgestellt war, egal, wie arm sie auch waren. Tris wusste, dass die Bittsteller, die jetzt bereitwillig tagelang warteten, besonders verzweifelt seine Hilfe und seinen Beistand brauchten.
Der nächste Bittsteller trat vor, ein Mann, der sehr lebendig war. Er war mittleren Alters, mit abgearbeiteten Händen. Trotz seines wettergegerbten Aussehens strahlte der Mann eine einfache Würde aus, als er unbehaglich an seinem Mantel aus selbst gesponnener Wolle herumzupfte.
»Euer Hoheit«, begann er unbeholfen und versuchte eine tiefe Verbeugung.
»Wie lautet Euer Wunsch?«
»Mein Name ist Kelse, und ich bin ein freier Mann. Meine Familie besitzt ein Stück Land einen Tagesritt vom Palast entfernt. Bitte, Sire, ich muss mit dem Geist meines Vaters sprechen.«
»Und was wünscht Ihr von ihm?« Während der Mann sprach, dehnte Tris seinen magischen Sinn aus und versuchte, nicht nur den Mann einzuschätzen, sondern auch zu spüren, ob sich irgendwelche Geister in seiner Nähe befanden.
»Mein Vater war ein vorsichtiger Mann. Er hat einige Münzen an einem sicheren Ort versteckt, für schlechte Zeiten. Er war auch ein sehr dickköpfiger Mann. Letztes Jahr, während diesem ganzen Ärger …« Kelses Stimme stockte. Er nahm sich einen Moment, um sich zu fassen. »Letztes Jahr, während der Regenzeit, wurde unser Dorf überflutet. Vater starb. Wir schafften es, einiges von unserem Heu und etwas Vieh zu retten, aber unser Saatgut ist verdorben und wir müssen es ersetzen. Ich muss diese Münzen finden«, bat er. »Ich habe überall danach gesucht. Bitte, Sire. Ich habe nichts, um meine Familie zu ernähren. Wenn ich die Münzen nicht finden kann, dann werde ich mich als Erntehelfer verdingen müssen und ich habe meinem Vater schwören müssen, dass ich nie einem anderen dienen werde.«
Als Tris seine Sinne ausdehnte, fühlte er das Zerren eines Geistes und benutzte seine Magie, um dem Geist einen Zugang zu sich zu ermöglichen. Tris streckte eine Hand in Richtung des Bauern aus und konzentrierte sich auf den schwachen Impuls des Gespenstes. Dabei richtete er seine Kraft darauf aus, es näher heran zubringen und sichtbar zu machen. Kelse keuchte auf und Tris wusste, dass es gelungen war.
Vor ihm stand ein dünner Mann mit einem eckigen Kiefer und einem abgebrühten Glitzern im Auge. Kelse sank schluchzend in die Knie. »Dein Sohn bittet dich um Hilfe«, sagte Tris zu dieser Erscheinung. Der alte Mann sah von Tris zu seinem Sohn.
»Es tut mir leid, Kelse. Ich hätte es dir schon lange sagen sollen, aber ich hatte immer Angst, dass es jemand verschwenden würde.« Die Stimme des Geistes klang, als käme sie von weit her. Kelse hob den Kopf und schwieg, während Tränen über seine Wangen strömten. »Nimm die Holzscheite aus dem Kamin. Setz dich dorthin, wo die Scheite sein sollten und sieh zum Kamin hin, dann hebe eine Kerze über den Kopf. Über dem Abzug des Kamins gibt es ein Sims. Du musst ganz nach hinten greifen. Dort wirst du fünf Goldstücke finden. Das ist alles, was ich hatte. Die Lady segne dich, mein Sohn. Ich hatte nicht vor, dich so zu verlassen.«
»Ich weiß, Vater, ich weiß.« Kelse wippte in seiner Trauer vor und zurück. »Danke«, wisperte er, sowohl zu Tris als auch zu dem Geist. »Vielen Dank.«
Tris wandte sich dem Geist des alten Mannes zu. »Möchtest du jetzt zur Ruhe geleitet werden?«
Der alte Mann sah seinen Sohn an und dann wieder Tris. »Ich kann nichts mehr tun, um ihm zu helfen«, erwiderte der Geist. »Und ich habe in den Feldern gearbeitet, seit ich laufen gelernt habe. Es ist an der Zeit.«
Kelse stand langsam auf und trat einen Schritt auf das Gespenst zu. »Wir haben uns nicht verabschiedet«, sagte er mit erstickter Stimme. »Die Göttin möge dich segnen, Vater, und dich in Ihren Armen halten.« Er schlug das segnende Zeichen der Göttin. Der Geist drehte sich um zu Tris, der nickte und damit begann, die rituellen Übergangsworte zu murmeln. Als er die Worte der Macht aussprach, spürte er, wie sich das Portal öffnete, auch wenn niemand außer dem alten Mann es sehen konnte. In der Ferne hörte Tris eine Stimme; die Worte konnte er nicht verstehen, aber ihre Lieblichkeit berührte seine Seele. Er schloss seine Augen und fühlte mehr als er
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