Der Blutkönig: Roman (German Edition)
Tris sich zurück. Es war keine Tugendhaftigkeit und ganz sicher kein Mangel an Interesse. Er hatte kein Verlangen danach, sein Herz aufs Spiel zu setzen oder als Hauptgewinn gehandelt zu werden. Und obwohl die Wärme einer Bettgenossin angenehm gewesen wäre, hegte er nicht den Wunsch, sein Herz in beiläufigen Beziehungen abzustumpfen.
Es hatte viele schöne Mädchen am Hof gegeben, auch wenn nur wenige sich die Mühe machten, über etwas anderes als über ermüdenden Klatsch zu reden. Noch weniger waren in der Lage, ein Gespräch über Ideen zu führen und dabei mit eigenen Überzeugungen und Meinungen aufzuwarten. Tris hatte es aufgegeben, je eine Seelenverwandte zu finden. Er war Zeuge der lieblosen Hochzeiten am Hof, den Parodien von Namen und Rängen, die eine angeschlagene Maske der Anständigkeit über die schmutzigen Machenschaften und Affären legte. Allein zu bleiben schien allemal besser zu sein. Kait, die wusste, dass die Schläge, die sie von Jared bekommen hatte, selbst in adligen Ehen nicht unüblich waren, hatte beschlossen, nie zu heiraten. Tris träumte oft von dem Tag, an dem ihm vielleicht erlaubt worden wäre, den Blicken am Hof zu entgehen und in Bricens Privathaus zu ziehen.
Jareds Staatsstreich hatte diese Pläne beendet.
Die andauernde Gefahr während der Flucht aus Margolan hätte schließlich jeden Gedanken an Romantik aus seinem Kopf tilgen müssen. Tris hätte niemals mit seiner Reaktion gerechnet, als er Kiara auf dem Weg nach Westmark traf. Vor dieser Nacht hatte Tris die Liebe auf den ersten Blick als eine von Carroways Übertreibungen abgetan. Aber vom ersten Blick an, den er auf Kiara geworfen hatte, war es um sein Herz geschehen gewesen. Sie war alles, was er zu finden je gehofft hatte: klug, stark, selbstsicher und in der Lage, ihren eigenen Weg zu gehen. Er hatte sich nicht um ihre Stellung oder ihren Rang gekümmert oder gar darum, dass sie von jenseits der Grenzen von Margolan gekommen war. Alles, was er je gewollt hatte, war ihre Zuneigung.
Dann hatte die Wirklichkeit zugeschlagen. Während er Jared stürzen und Arontala besiegen musste, war das Überleben allein schon beinahe zu viel vom Schicksal verlangt. Schlimmer noch, da war das alte Heiratsversprechen, das Kiara dem Erben von Margolans Thron versprach. Er hielt es kaum aus, daran zu denken, daran, dass Kiara Jared gegeben werden könnte. Allein deswegen war er bereit, Jared bis zum Tod zu bekämpfen, nur um das zu verhindern, und jetzt stand noch viel mehr auf dem Spiel. Viele Nächte lang konnte er kaum schlafen und rang mit der Furcht, dass er nicht überleben würde, um Kiara zu heiraten.
Doch er hatte sie unterschätzt. Kiara wusste genug über den Krieg, um zu wissen, dass ihr Schachzug, Jared vom Thron zu stürzen, nur geringe Aussicht auf Erfolg hatte. Aber es wäre unmöglich gewesen, ihre Zuneigung zueinander abzustreiten, auch wenn Tris wusste, dass er sich hätte zurückhalten sollen. Kiara schien sich nicht darum zu kümmern, dass ihre Romanze möglicherweise einen Skandal hervorrief und sie teilte seine Abscheu vor Jared. Und so hatten sie sich während ihres kurzen Aufenthalts im Heiligtum von Westmark einander ihre Liebe gestanden. Nichts an seinen Gefühlen hatte sich seither geändert. Wenn sich etwas geändert hatte, dann die Tatsache, dass die Gefahr in der Zitadelle der Schwesternschaft dafür gesorgt hatte, dass sich seine Entscheidung für sie noch verstärkte. Aber zur gleichen Zeit, zwischen den dunklen Visionen und seiner Begegnung mit dem Tod, war Tris zerrissen zwischen seiner Liebe und dem Wunsch, Kiara auf keinen Fall Schmerz zufügen zu wollen.
Abelards Enthüllung zwang Tris zu handeln. Während der Wechsel im Heiratsvertrag den Skandal von ihrer Beziehung nahm, würde ihre Verlobung Jared nur noch mehr aufbringen. Tris machte sich über Jards Motive keine Illusionen. Ihm ging es lediglich um Isencrofts Ländereien und die Befriedigung seiner eigenen Lust. Aber er kannte seinen Halbbruder gut genug, um zu wissen, dass Jared ihre Allianz als Herausforderung sehen würde. Jareds Rache würde gnadenlos sein.
Tris hatte Abelards Vorschlag, im Exil zu heiraten, rundheraus abgelehnt. Der Begriff »die Erbfolge sichern« war von all dem durchdrungen, was er mit der Krone identifizierte und nie gewollt hatte. Er wusste, dass ein Erbe zu sein bedeutete, wie ein preisgekröntes Rennpferd zur Fortpflanzung verhökert zu werden. Es war eines der vielen Dinge, auf die er sich ganz und gar nicht
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