Der Blutkönig: Roman (German Edition)
Hof über ihren Tod hinausgingen, kamen ebenfalls zu dieser Zeremonie, gerufen von Tris’ Kraft. Staden war gerührt davon, die Segnungen der langverstorbenen Mitglieder der königlichen Familie zu erhalten, von denen, die sich entschieden hatten zu bleiben und über ihre Nachkommen zu wachen.
Zur zehnten Stunde versammelte sich eine große Menschenmenge im Hof. Staden hatte seine Diener angewiesen, ein Podium zu errichten. Darauf standen lebensgroße Statuen der Lady, einer für jeden Lichtaspekt und auf seiner Rückseite das entsprechende dunkle Gesicht. Die Mitte des Podiums überragte ein Altar mit einem nachtblauen Tuch, das mit komplizierten Silberstickereien versehen war. Hoch über dem Podium waren Kerzenleuchter angebracht, jedoch noch nicht erleuchtet. Vahanian wartete in dem Gedränge, aus Gewohnheit ziemlich weit vorn, aber ein wenig seitlich, sodass er einen guten Blick auf möglichen Ärger hatte. Er entdeckte Kiara in der Menge und Carroway bei den Barden. Carina war bei Kiara, in der ersten Reihe. Vahanian fragte sich, ob Carinas Position etwas mit Ehrerbietung zu tun hatte oder ob sie dort war, falls Tris bei der Ausübung der Riten zusammenbrach.
Ein roter Teppich markierte einen Weg durch die Menschen. Staden saß auf einem Thron auf einem geräumigen Balkon, zusammen mit der Königin und Berry. Aber hier war jeder gekommen, um den Seelenrufer zu sehen.
Ein Raunen ging durch die Menge und Vahanian drehte sich um. Tris stand am anderen Ende des Teppichs. Er war in Grau gekleidet, mit einem schweren grauen Mantel und sah so einerseits wie ein Seelenrufer und andererseits, das musste Vahanian zugeben, wie ein König aus. Sein langes blondes Haar wehte im Wind, als er zum Altar auf dem Podium schritt. Vahanian sah, wie sich seine Lippen bewegten. Die Kerzen in den Leuchtern entflammten und erleuchteten die Nacht. Tris zog einen großen Honigkuchen und einen Deckelkrug mit Bier unter seinem Mantel hervor, die traditionellen Geschenke für die Lady. Und für die Vayash Moru, die aufgrund der Nacht sehr zahlreich in der Menge vertreten waren, stellte er eine Karaffe mit Ziegenblut auf den Altar.
»Lady der Vielen Gesichter, hör mich an!« Tris sprach mit einer Stimme, die für alle zu hören war. »Heute Nacht ist der Schleier zwischen unserer Welt und der nächsten nur dünn. Nimm diese Geschenke von deinen Kindern an, den Lebenden, den Toten und den Untoten, und zeig uns Deine Gunst.«
Die Nacht schien noch kälter zu werden. Überall um Vahanian herum sammelten sich Geister, sehr viel mehr als jemals zuvor. Viele fanden Platz neben Menschen in der Menge: Der Geist eines älteren Mannes stand neben einer jungen Frau, der Geist einer jungen Mutter neben einem leidend aussehenden jungen Mann, der ein kleines Kind auf dem Arm trug. Einige der Vayash Moru blieben für sich, während andere sich zu den Geistern gesellten. Tris machte es in dieser Nacht möglich, dass die Geister, die sich entschlossen hatten, bei den Lebenden zu bleiben, sichtbar wurden und am Fest teilnehmen konnten. In der Menge sah Vahanian einen Vayash Moru, der scheinbar so alt war wie er selbst und neben einer sehr lebendigen Frau stand, die wesentlich älter war. Sie hielten sich an der Hand und die Frau lehnte ihren Kopf auf die Schulter des Mannes. Verwundert wurde Vahanian bewusst, dass das die Geste einer Gattin war, nicht die einer Mutter. Er konnte seinen Blick nicht abwenden. Wenn die beiden zusammen gewesen waren, als der junge Mann in seinen Zustand übergegangen war, dann waren Jahrzehnte vergangen, in denen der junge Mann er selbst geblieben war. Doch die Jahre hatten das ihre getan, um seine Gattin alt werden zu lassen. Vahanian bemerkte nicht, dass Gabriel neben ihn getreten war, bis der Vayash Moru ihn ansprach.
»Einige von uns beschließen, länger bei den Sterblichen zu bleiben als andere«, meinte er.
»Ich hatte nur nie gedacht …«
»Hier in Fahnlehen, und besonders in Dark Haven, passieren solche Dinge ganz offen. An vielen anderen Orten müssen wir unsere Familien aus der Ferne betrachten, um sie vor denen zu beschützen, die uns fürchten.«
Vahanian fiel auf, dass Kiara nicht mehr allein war. Der Geist einer wunderschönen Frau mit traurigen Augen stand neben ihr, eine Frau, deren unverkennbare Ähnlichkeit darauf hinwies, dass es sich um die verstorbene Königin Viata handelte. Beim König standen einige Geister von Männern, die in den formellen Roben vergangener Tage gekleidet waren, die Könige
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