Der Blutkönig: Roman (German Edition)
nüchtern. »Ich mache dir auch einen Tee. Da hinten ist ein Fenster, wenn du es nicht bei dir behalten kannst.«
Blass und kalt nahm Carina die Gabe dankbar an und begann, an einem Zwieback zu knabbern. Mama sammelte ihre nassen Mäntel ein und eilte damit davon, dann gab sie ihnen dafür abgenutzte, aber trockene Decken und Schultertücher. Tris sah durch eins der Bullaugen, wie Mama ihre durchnässten Sachen über ihren Arm hängte und auf einen großen Holzofen zuging, der auf einem Stück Metall in der Mitte der Docks stand. Ein behelfsmäßiges Dach aus Segeltuch hing darüber und schützte ihn so vor der Nässe. Mama drapierte die Mäntel sorgfältig um den Ofen herum, um sie zu trocknen. Sie begutachtete ihr Werk kritisch und ging dann nach einem Nicken entschlossenen Schritts wieder zu ihren Schützlingen zurück. Sie hielt kurz an, um nach ihrem Eintopf zu sehen und etwas Tee in einen angeschlagenen Becher zu gießen.
»Fühlst du dich schon besser, Liebchen?«, fragte sie Carina. »Der Besitzer sollte bald wieder da sein. Er wird froh sein, ein paar Kunden zu sehen, ob sie nun bezahlen oder nicht.« Mama kehrte zu ihrer Arbeit zurück und lachte dabei herzhaft über ihren eigenen Scherz.
Von seinem Platz nahe dem Eingang stellte Vahanian jetzt in dem unverständlichen Dialekt eine Frage. Mama warf ihren Kopf in hellem Gelächter zurück und schoss eine kurze Antwort in dem gleichen Dialekt zurück, die scheinbar ausreichend war.
»Was gibt es?«, fragte Tris und hoffte, dass bald das Zittern aufhören würde. Das Tavernenboot war wärmer als das Floß, aber die einzige Wärmequelle war ein kleiner metallener Feuerkorb auf einem flachen Stein in der Mitte des Tisches. Die dünnen Wände und zerbrochenen Bullaugen des Boots boten kaum Schutz gegen den starken Wind.
»Ich versuche nur herauszubekommen, wie viel Verkehr es hier in letzter Zeit gegeben hat«, antwortete Vahanian. »Das ist eine gute Methode, um herauszufinden, ob die Nargi sich unausstehlich benehmen.«
Mama trat hinter die Bar und zog eine große Karaffe hervor, aus der sie freigebig ausschenkte. Zuerst bot sie Vahanian davon an, der es einfach so hinunterkippte. Tris war durchgefroren genug, um den Trunk dankbar anzunehmen – das taten alle außer Carina. Tris nahm einen kleinen Mundvoll und musste gegen den Reflex ankämpfen, es wieder auszuspucken, da seine Zunge und seine Lippen scheinbar Feuer gefangen hatten. Kiara und Carroway hatten die gleichen Schwierigkeiten, was Mama einen Lachanfall bescherte. Sie schenkte Vahanian nach.
»Meine Freunde kommen aus der Stadt«, sagte Vahanian in der Hochsprache, mit einem Seitenblick, der den anderen sagte, dass er das absichtlich tat, um sie an seinem Witz teilhaben zu lassen. Mama lachte sogar noch mehr, bis ihre Fettmassen schwabbelten und sie schlug Sakwi so hart auf die Schulter, dass der Zauberer unfreiwillig seinen Drink hinunterschluckte, was in einem ausgiebigen Hustenanfall endete. Mama sah alarmiert aus, aber Sakwi schaffte es, die Hand zu heben und ihre Hilfestellung abzuwehren.
»Nein, wirklich, es ist in Ordnung«, japste er und hielt sich am Rücken des Stuhls fest. »Nur ein kleiner Husten.«
Mama sah ihn mit aller Skepsis ihres großen Erfahrungsschatzes an. »Hrmpf«, schnaubte sie und zog die Brauen zusammen. Aber sie verfolgte die Angelegenheit nicht weiter und kehrte stattdessen zu ihren Essensvorbereitungen zurück. Tris bemerkte, dass der kräftige Alkohol, wenn man ihn einmal die Kehle hinuntergezwungen hatte, schnell wärmte. Er hätte nichts gegen einen weiteren Schluck gehabt. Vahanian schien nicht von dem Alkohol beeinträchtigt zu sein, auch wenn Tris auffiel, dass sein Dialekt, wenn er mit Mama sprach, beinahe so breit wurde wie der ihre.
Plötzlich hörten sie von draußen Geräusche und Unruhe. Durch die zerbrochenen Fenster des Tavernenboots erkannte Tris einen untersetzten Mann, der durch das Chaos auf den Dockbooten eilte.
»Bei der Hure!«, schrie er und stampfte die Planke hinauf. »Muss ich denn alles selbst machen?«
Der Mann stürmte in den Raum und riss sich den Mantel über den Kopf. Plötzlich blieb er wie vom Donner gerührt stehen. »Jonmarc?« Maynard Linton, der Besitzer der unglücklichen Karawane, die Tris und seine Freunde auf ihrer Flucht von Shekerishet aufgenommen hatte, sah auf Tris und die anderen, als hätte er ein Gespenst gesehen.
»Maynard!«, schrie Carina auf und sprang von ihrem Stuhl auf. Tris, Carroway und Vahanian
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