Der Blutkönig: Roman (German Edition)
und übertönte kaum das Schnarchen der Wachen. Es war die Stimme eines Kindes, das seinen Namen rief. Sicher, dass ihn der Schmerz halluzinieren ließ, hob Vahanian den Kopf. Das Lager lag in dickem Nebel, so dicht, dass man selbst die Lagerfeuer jenseits des Übungsplatzes nicht mehr sehen konnte. Als er in den Nebel starrte, schwang die Tür seines Käfigs auf. Im Eingang stand das durchsichtige Bild eines jungen Mädchens, das ihm winkte, mit ihm zu kommen.
»Komm, Jonmarc«, sagte die Erscheinung. »Es ist Zeit.«
Vahanian war jenseits des Punktes, an dem er Angst hatte. Er war bereit zu sterben, hielt aber dennoch die Luft an. »Bist du das Kind?«, röchelte er und seine geschwollenen Lippen waren kaum imstande, die Frage zu stellen.
»Komm«, wiederholte die Erscheinung ungeduldig. »Es ist Zeit.«
Vahanian kroch zu der geöffneten Tür, hielt auf halbem Weg an, um sich umzuschauen und erwartete, seine eigene zusammengesunkene Gestalt hinter sich zu sehen. »Es ist Zeit zu gehen«, drängte das Geisterkind und stand mit ausgestreckter Hand direkt hinter dem Gestänge. In der Ferne hörte Vahanian den donnernden Hufschlag eines galoppierenden Pferdes und hörte, wie die Soldaten erwachten. Aber er zwang sich, aufzustehen und hielt sich an den Stangen des Pferchs fest. Auf den Anblick, der nun durch den Nebel brach, war er nicht vorbereitet. Ein verhüllter Reiter auf einem weißen Pferd, der ritt wie von Dämonen getrieben. Unter der schweren Kapuze brannten Augen wie Feuer.
»Die Dunkle Lady!«, wisperte Vahanian und war sich jetzt sicher, tot zu sein.
Die Nargi-Soldaten wiesen in Schrecken auf den Anblick. Die Hälfte von ihnen fiel auf die Knie, warf sich selbst mit verzweifelt gestammelten Gebeten dem Reiter zu Füßen, während die Priester die Erscheinung um Gnade anflehten. Die anderen Soldaten, verängstigt, aber zweifelnd, blieben stehen, und schossen einen Schwarm Pfeile auf den Reiter ab, die jedoch alle an ihm abprallten, ohne Schaden anzurichten. Mit erstickten Schreien ließen die Bogenschützen ihre Waffen fallen und flohen.
Ohne Rücksicht auf die Verwirrung zu nehmen, kamen Reiter und Ross direkt auf Vahanian zu, ohne langsamer zu werden. Die verhüllte Gestalt beugte sich herunter, griff Vahanians Arm und warf ihn sich wie eine erschlaffte Puppe über den Schoß.
Der Nebel schloss sich und Vahanian wurde ohnmächtig.
A LS SICH DIE hintere Tür von Jolies Hütte öffnete, brach Chaos im Raum aus. Nyall nahm den Körper des bewusstlosen Kämpfers aus den Armen der verhüllten Gestalt und trug ihn zu einer Pritsche. Sakwi sah von einem Kessel mit Heilkräutern auf, in dem er gerührt hatte, Carroway und Carina stürzten heran, um Nyall zu helfen.
Die verhüllte Gestalt schlug die Kapuze zurück und gab Tris’ Gesicht frei. Die Illusion der Dunklen Lady verschwand und ließ nur das Theater-Makeup zurück, das Carroway improvisiert hatte. Kiara reichte Tris ein feuchtes Handtuch, damit er sich die Spuren der nächtlichen Arbeit fortwischen konnte.
»Du hast ihn gefunden!«, jubelte sie und half Tris aus dem schweren Mantel. Ein Lederharnisch und ein Kettenhemd kamen darunter zum Vorschein.
»Danke, dass du auf der Rüstung bestanden hast. Die Nargi sind schnelle Bogenschützen.« Tris löste die Schnallen der Rüstung und legte sie beiseite. »Und danke für den Mantel.« Er reichte ihr den Mantel der Schwestern, der magieabweisend wirkte. »Ich habe mich so ein bisschen weniger wie eine Fackel für Arontala gefühlt, auch wenn ich nicht viel Magie gebraucht habe.«
»Ist der Flussgeist gekommen?«
Tris kicherte. »Sie hatte einen Heidenspaß. Ich hasse es allerdings, daran zu denken, was Jonmarc wohl daraus gemacht hat.«
»Wenn er herausfindet, dass er noch lebt, könnte er dir vergeben.« Kiara küsste ihn schnell auf die Wange. Sie nahm seine Hand und ging hinüber zu der Pritsche, an der Carina arbeitete.
»Süße Chenne«, fluchte Carina leise, als sie den Schaden begutachtete. Vahanians Gesicht war blau und angeschwollen und beinahe nicht mehr zu erkennen und die Wunden und Schnitte auf seiner Brust und den Armen erzählten auch ohne Worte von all dem, was er durchgemacht hatte. »Lasst uns mal sehen, was wir hier auf dem Rücken haben«, sprach Carina weiter und der wachsende Ärger war klar in ihren kurzen Instruktionen zu hören. Carroway gehorchte und drehte Vahanian sanft auf die Seite.
Carina erbleichte. Striemen liefen kreuz und quer über Vahanians Rücken, Beweis
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