Der Blutkönig: Roman (German Edition)
geschmeichelt, wie sie sich dabei unbehaglich fühlte. In der Karawane hatte er sie mit seinen Fähigkeiten als Kämpfer beeindruckt, aber noch mehr mit seiner Loyalität, auch wenn das, was er tat, oft im Gegensatz zu seiner sorgfältig aufrecht erhaltenen Maske stand, sich um rein gar nichts zu kümmern. Aber sogar das gefiel ihr. Jonmarc sah überhaupt nicht aus wie Ric, aber beide teilten eine gewisse Aufsässigkeit. So wie Jonmarcs Bereitschaft, die Regeln für einen guten Grund zu brechen und sein tollkühner Mut.
Sie erinnerte sich daran, wie es war, mit Jonmarc an Berrys Willkommensbankett zu tanzen. Sie war sich im Klaren darüber, wie sehr sie auf seine Berührungen seitdem reagiert hatte. Die Geschichte seines Lebens, die er ihr erzählt hatte, als er mit ihr nach ihrer Rückkehr aus der Zitadelle dagesessen hatte, diese Offenheit, die er da gezeigt hatte, zog sie nur noch mehr an. So nah, dass es ihr Angst machte.
Die Chancen, dass sie alle diesen Kampf überlebten, waren sehr gering, das wusste sie, selbst wenn sie ihn letztendlich gewinnen sollten. Tris und Kiara hatten scheinbar den Mut gefunden, ihre Gefühle füreinander trotz dieser schlechten Chancen zuzugeben. Vielleicht war ihre Liebe stärker, weil sie jederzeit zerstört werden konnte. Jonmarc wusste bereits, wie es war, eine Geliebte an das Schicksal zu verlieren, und doch hatte er sich für seine Gefühle entschieden. Und hier war sie, zu furchtsam, um ein Zugeständnis zu machen und mit mehr Angst davor, ihn zu verlieren, als davor, nie herauszufinden, wo ihre Geschichte hinführen mochte. Beide Alternativen waren furchtbar. Als sie Fahnlehen erreicht hatten, hatte Jonmarc über seine Zukunft entschieden: Seine Belohnung zu nehmen und wieder zum Fluss zurückzukehren oder sich Tris und den anderen anzuschließen.
Carina wusste, dass dieser Moment der Entscheidung bald auch für sie nahte. Sie hoffte, dass sie dann genügend Mut dafür haben würde.
KAPITEL FÜNFZEHN
T ROTZ DES A TTENTATSVERSUCHS auf Tris nahm Stadens Hof seine Festivitäten innerhalb kurzer Zeit wieder auf. Die Festtage waren gefüllt mit Reitturnieren und Unterhaltungen, glänzende Bankette und Gelage hielten die meisten Höflinge bis zum Morgengrauen wach. Der Winter war in Fahnlehen härter als in Isencroft oder Margolan. Trotzdem konnten Tris und seine Freunde den ihnen unbekannten Spektakeln nicht widerstehen.
»Ich dachte in Isencroft, ich wüsste, was Winter bedeutet, aber die Kälte hier ist etwas ganz anderes!«, erklärte Kiara, und ihr Atem dampfte in der bitterkalten Luft.
Carina nickte, beinahe völlig vergraben in einem geliehenen Pelzmantel, der alles versteckte außer ihren Augen. »Ich hatte vergessen, wie die Winter in Fahnlehen sein können. Das ist ein Grund, warum die Söldnerheere hier überwintern – der Schnee ist einfach zu tief, als dass jemand sie angreifen könnte, und so ist es wahrscheinlich, dass sie eine ordentliche Pause bekommen!«
Vahanian zuckte die Achseln, scheinbar unbeeindruckt von der Kälte. Er trug einen einfachen Mantel aus Wolfsfell, mit der Lederseite nach außen und dem Fell innen. Tris hätte wetten können, dass der Mantel das, was ihm an Pracht fehlte, an Wärme wieder gutmachte. »Die Ostmark ist schlimmer. Die Armee muss im Winter erst einmal Schnee schaufeln, damit sie ihre Manöver durchführen können. Selbst wenn der Frühling kommt, ist das Übungsfeld oft noch hüfthoch mit Schnee bepackt!«
»Mutter sagte immer, die Winter in der Palaststadt in Isencroft seien wie die Hochsommer in der Ostmark«, kicherte Kiara. »Und obwohl sie mich als Kind immer dick eingepackt hat, habe ich mich immer darüber gewundert, dass sie sich mit einem einfach gewobenen Umhang begnügte.«
Tris lachte. »Zum Vergleich muss es euch in Shekerishet vorkommen wie ein endlos langer Sommer. Wir sind von mehreren Gebirgszügen vor dem kalten Nordwind geschützt. Unser Schnee wird tief, aber er liegt nie für sehr lange. Ich kann mich nicht erinnern, dass es je so kalt war. Carroway sieht aus, als wäre er tiefgefroren.« Er sah hinüber zu der Stelle, an der der Barde mit den anderen Musikanten an seiner Laute zupfte. Sogar mit den kurzen Handschuhen, die die Finger frei ließen, sahen die Musikanten so aus, als sei ihnen unangenehm kalt. Sie standen so nahe wie es eben noch möglich war am Feuer, ohne ihre Instrumente zu beschädigen.
»Wenn das alles vorbei ist, dann will ich einen dieser Schlitten kaufen und ihn zu Vater
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