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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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schon einmal gesehen, sie hätte ihn nicht wiedererkannt. Nordlichter in den Farben des Regenbogens umzüngelten ihn auch jetzt und die Strahlen der Wintersonne tauchten ihn in ein merkwürdiges Licht. Aber vielleicht war auch er es, von dem die dumpfe Helligkeit in dieser grausamen Welt ausging, und ohne ihn würde alles um sie herum in Dunkelheit versinken. Und plötzlich begriff sie das Entsetzen in Salais Gesicht, wusste sicher, was er erkannt hatte, als Cyron die Maske der Menschlichkeit ein wenig gesenkt hatte. Dies war
nicht irgendein Elf. Vor ihr stand tatsächlich der Prinz der Feen, einer der mächtigsten Lichtelfen, die diese Welt jemals gesehen hatte. Ein Prinz, dem es gefiel, unter den Sterblichen zu wandeln, anstatt sein Erbe anzutreten.
    Cyron zögerte, als hätte er ihre Gedanken erraten. Für Sekunden glaubte sie ihren alten Freund wiederzuerkennen, der ihr nicht selten einen wertvollen Rat gegeben hatte, wenn sie satt vom Luxus an seiner Bar hockte und sich wieder einmal nicht entscheiden konnte, ob sie diesem oder jenem Galan den Vorzug geben sollte. Von einer Sekunde zur anderen stand erneut der unheimlich Elf an seiner Stelle. Ein mächtiges Wesen, dessen Atem sich nicht zu Ungeheuern verwandelte, weil er keinen besaß, dessen Worte aber noch beunruhigender waren. «In meinem Reich sind eure vampirischen Talente wirkungslos. Schmerz ist Schmerz und eine harmlose Verletzung kann tödlich sein. Ihr tut gut daran, dies nicht zu vergessen. Und jetzt kommt, wir haben nicht mehr viel Zeit.»
    Doch Vivianne war nicht so leicht zufriedenzustellen. «Was ist mit diesen – Gestalten?», sagte sie und machte eine Kopfbewegung in Richtung des Eisreiters und seiner Gefolgsleute. Sich nach ihnen umzusehen wagte sie nicht.
    Aber eben das verlangte Cyron von ihr, der noch einmal stehen geblieben war. «Sieh genau hin!» Und als sie zögerte, wurde seine Stimme weicher. «Dir wird nichts geschehen, vertrau mir.»
    Wie konnte sie das jetzt noch? Aber ihre Neugier war größer als ihr Misstrauen, und sie betrachtete die Herannahenden. Oder was sie dafür gehalten hatte, denn die unheimlichen Eisfeen hatten sich in der ganzen Zeit nicht von der Stelle bewegt. «Es sind Skulpturen!» Beinahe hätte sie vor Erleichterung laut gelacht, schloss aber schnell ihren Mund, um nicht noch mehr kleine Eismonster zu atmen. Sie sah mit zusammengekniffenen Augen über die Schneefläche und erkannte nun anstelle lebendiger Kreaturen gebeugte Tannen, eingehüllt in dicke Eismäntel, geformt von Wind und Wetter. «Welch herrliche Kunstwerke!»
    Cyron lachte. «Der Ostwind wird sich über dein Kompliment freuen.» Und wie zur Bestätigung erfasste sie alle eine Bö, die Vivianne beinahe umgeworfen hätte.
    «Seltsame Art, seinen Dank zu zeigen», knurrte Morgan und schlug nach einem Kristallwesen, das frech vor seinen Augen tanzte. Er breitete die Arme aus und zog Vivianne ganz nahe zu sich heran, obwohl er selbst keine Wärme in sich spürte, die er mir ihr hätte teilen können.
    Cyron schien den bemitleidenswerten Zustand der Vampire erst jetzt zu bemerken. «Wir sollten uns beeilen, sonst ist euer Blut gefroren, bevor wir mit dem Ritual beginnen können.» Er klatschte in die Hände und sie fanden sich in einem Palast aus Eis und Schnee wieder. Die glatten Wände schimmerten bläulich, gedämpftes Licht zauberte eine geheimnisvolle Atmosphäre und es schien deutlich wärmer zu sein. Vielleicht lag dies aber nur daran, dass kein eisiger Wind mehr wehte, denn jeder Atemzug ließ eine neue Wolke aus Viviannes Mund aufsteigen, die sich zu kristallenen Wesen formte, die entgegen Morgans Vermutung glücklicherweise meist zerbarsten, bevor sie Unheil anrichten konnten. Dabei ließen sie eine sphärische Melodie entstehen, die nicht nur Vivianne entzückte. Ihre Angst schien wie weggeblasen und sie hatte den Verdacht, dass dies Cyrons Werk war. Auch Morgan wirkte weniger angespannt, er lauschte wie verzaubert den Klängen.
    Ihre gute Laune hielt an, bis sie Salai erblickte. Der diebische Elf, der hier doch in seinem Element sein sollte, hockte zitternd auf einem Eisblock. Seine bebenden Lippen waren blau gefroren, sein Haar stand wild vom Kopf ab und sogar Augenbrauen und Wimpern waren dick mit Raureif überzogen, wie man ihn an schönen Wintertagen zuweilen auf Zweigen oder Gräsern vor dunkelblauem Himmel bewundern konnte, bevor eine lang ersehnte Sonne diese Pracht schmolz, der Mangel an Farbe das Zepter übernahm und sie erneut zum

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