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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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genau wusste, was der Dieb entwendet hatte. Als sie ihn nur wortlos anstarrte, beugte er sich zu ihr herüber, bis seine Lippen fast ihr Ohrläppchen berührten. «Du solltest Morgan unbedingt sagen, wonach er tatsächlich sucht.»
    «Das finde ich auch!»
    Morgan. Vivianne zuckte zurück. Er hatte sich ihnen völlig unbemerkt nähern können. Zumindest sie fühlte sich überrumpelt, Cyron zeigte keinerlei Überraschung. Allmählich begann sie daran zu zweifeln, ob es tatsächlich klug gewesen war, sich hauptsächlich in der Gesellschaft von Sterblichen zu bewegen, anstatt ihre vampirischen Sinne zu schärfen, wie ihre Brüder es immer wieder verlangt hatten. Ihre beiden derzeitigen Begleiter waren ihr haushoch überlegen. Andererseits wären sie dies wahrscheinlich ohnehin gewesen. Morgans Transformation lag auf jeden Fall schon viel länger zurück als ihre Geburt, und über Cyrons Alter wollte sie besser gar nicht spekulieren. Doch mit den beiden an ihrer Seite standen ihre Chancen vielleicht gar nicht so schlecht, den Stein zurückzugewinnen. «Also gut. Mir ist kein Collier gestohlen worden.» Sie sah Morgan erwartungsvoll an. Der Vampir wirkte ärgerlich, aber so, wie er Cyron betrachtete, hätte man annehmen können, dass dieser die Schuld an seiner schlechten Laune trug. Vivianne schob diese Beobachtung beiseite, sie hatte jetzt andere Sorgen. «Der Einbrecher hat den Blutkristall geklaut!»
    Morgan ließ sich auf den Stuhl neben ihr fallen, und Vivianne glaubte ein Na endlich! zu hören. Aus seinem Mund kam jedoch ein ganz anderer Kommentar: «Ich will gar nicht wissen, warum etwas so Wertvolles in deinem Gewahrsam war.»
    Mit dieser Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Besonders überrascht schien Morgan nicht zu sein, eher ärgerlich, dass sie die Wahrheit so lange zurückgehalten hatte. Aber bevor sie etwas Unüberlegtes sagen konnte, griff Cyron ein. «Ich finde die Tarnung nicht dumm. Niemand hätte den Blutkristall bei ihr vermutet.» Er warf Morgan einen seltsamen Blick zu.
    «Irgendjemand hat es getan, und das wirft neue Fragen auf!» Kaum hatte Morgan diese Worte ausgesprochen, veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er wirkte jünger, geradezu verletzlich. Dieser Zustand hielt jedoch nur einen Wimpernschlag lang an, und Vivianne dachte, sie müsse sich geirrt haben, als er zusammenhangslos weitersprach. «Unser Vögelchen ist ausgeflogen.»
    Cyron zwinkerte ihr zu. War der plötzliche Themenwechsel sein Verdienst? Aber er hatte doch eben noch beklagt, dass er sich nicht einmischen dürfe.
    Das gilt aber nicht für unbedeutende Kleinigkeiten.
    Bewusstseinskontrolle bei einem Vampir war also eine Kleinigkeit? Doch Vivianne fühlte sich so erleichtert über Morgans unvermitteltes Desinteresse an ihrer Person, dass ihr ein Fluch entschlüpfte, anstatt näher auf Cyrons Auslegung bestehender Regeln einzugehen. Kaum bewegte sie sich in einer ungewohnten Umgebung, schienen ihre gepflegten Manieren sie schon im Stich zu lassen. Auch darüber würde sie später nachdenken. Morgan rutschte ungeduldig auf seinem Stuhl herum, und sie beieilte sich zu erklären: «Er kann noch nicht weit sein. Ich wüsste es, wenn der Kristall die Gegend verlassen hätte.» Neben den Umgangsformen schien sich auch ihr gesunder Vampirverstand zu verabschieden. Was redete sie da? Cyron hustete, als wolle er sie warnen, doch dieses Mal ließ sich Morgan nicht beirren. Er wirkte aufgebracht. «Du kannst ihn spüren und hast nichts gesagt? In welche Richtung bewegt er sich?»
    «Ich bin ein Vampir, kein Spürhund!»
    «Wo ist er jetzt?» Morgan hatte sie gar nicht gehört.
    «Ich weiß nicht», sagte sie kläglich. «Seit ich ihn aufbewahre, habe ich mich noch niemals weiter als ein paar Kilometer von ihm entfernt.»
    «Du bist mit dem Ding gereist?», jetzt klang er fassungslos.
    Sie nickte nur.
    «Na prima, das hilft uns wirklich weiter.» Er trommelte auf dem Tisch herum. Zwar zeigten sich dabei keine Krallen, aber seine harten Fingernägel verursachten ein unangenehmes Klacken, das die anderen Gäste dazu brachte, nervös zu ihnen herüberzusehen. Morgan kümmerte sich nicht darum. Er sah aus dem Fenster, als spräche er zu niemand Bestimmtem. «Wenn ich etwas hätte, was dem Sterblichen gehört, dann könnte ich ihn vielleicht finden. Aber in seinem Unterschlupf war nichts Persönliches. Er hat dort vermutlich nur geschlafen. Wann hast du ihn da gesehen, Cyron?»
    «Am späten Nachmittag. Offenbar ahnte er, dass die Nacht nicht

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