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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Kontrolle über sich verloren zu haben. Anderenfalls sähe ihr Hals jetzt anders aus, das kannte Vivianne aus eigener Erfahrung. Ihr war es bei den Gelegenheiten, bei denen sie selbst aus der Quelle getrunken hatte, selten gelungen, ihr Opfer in ähnlicher Weise und so überaus präzise zu beißen. Was nicht weiter dramatisch war, denn im Speichel eines jeden Vampirs befand sich eine Substanz, die kleinere Wunden wie diese in Sekundenschnelle verschwinden ließ. Normalerweise genügte es, nach dem Biss einmal mit der Zunge darüberzulecken. Dazu hatte Morgan jedoch keine Gelegenheit gehabt, und Vivianne war nicht wenig beeindruckt von der Größe seiner Zähne, deren Spuren sie nun mit den Fingern nachzeichnete.
    Es war nicht klug, dass sie sich mit ihm eingelassen hatte. Durch ihr ständiges Beisammensein war das Risiko, entdeckt zu werden, ohnehin nahezu unkalkulierbar groß geworden. Doch dann kam die Erinnerung zurück, wie sie übereinander hergefallen waren. Diese Leidenschaft und Erregung hatte sie noch niemals zuvor gespürt, aber immer gesucht. Ihre Hand zitterte, als sie ihre Haut an der Stelle berührte, an der Morgans Lippen meisterhaft und sehr erfahren den Biss vorbereitet hatten, bevor er schließlich von ihrem Blut getrunken hatte, als wäre es das vortrefflichste Elixier des Universums. Er habe noch nie etwas Vergleichbares gekostet, hatte sie ihn flüstern hören, und dieses Kompliment hätte sie ihm ohne Weiteres zurückgeben können. Schon dieser eine Tropfen, den sie ihm gestern während des leidenschaftlichen Kusses dort an der Tür gestohlen hatte, war ihr wie Ambrosia vorgekommen. Seither sehnte sie sich nach mehr. Erschrocken legte sie die Fingerspitzen auf ihre bebenden Lippen. Das durfte nie wieder geschehen, es sei denn, sie planten, sich nach alter Vampirtradition aneinander zu binden: Drei Mal kosteten Seelenpartner voneinander, dann war der Bund für die Ewigkeit geschlossen. Erleichtert lehnte sie sich an die Wand. Daran war natürlich nicht zu denken. Morgan konnte nicht ihr Seelenpartner sein, schon allein deshalb nicht, weil er ein geschaffener Vampir war. Und überhaupt, sie mochten sich doch nicht einmal wirklich. An der schwindelerregenden Anziehungskraft, die sie in seiner Nähe zu spüren glaubte, trug gewiss ihre monatelange Abstinenz Schuld. Würde nicht jede Frau ohne einen ordentlichen Liebhaber auf merkwürdige Gedanken kommen? Rasch verdrängte sie, dass eine ewige Verbindung zwischen Vampiren unter gewissen Umständen auch zustande kommen konnte, wenn die Beteiligten keine Seelengefährten waren.
    Eine heiße Dusche, sonst ihr Allheilmittel in allen Situationen des Lebens, trug dieses Mal wenig dazu bei, ihr Unbehagen zu vertreiben. Weil es irgendwann im Bad nichts weiter zu tun gab, als das eigene Spiegelbild eingehend zu betrachten, kam sie schließlich zögerlich heraus.
    Der Fernseher lief wieder. Morgan flegelte sich auf dem Sofa, Füße gegen den Tisch gestemmt und eine Flasche Whisky in der Hand. Was das Wasser auf ihrer Haut nicht geschafft hatte, gelang diesem Anblick spielend. Wenn die Götter mich nicht vor der unauflösbaren Verbindung mit einem solchen Mann bewahren, dann werde ich dafür sorgen, dass meine Brüder es tun!
    Aber es gab keinen Grund zu verzweifeln. Sobald sie den Blutkristall wieder sicher in ihrer Schatulle eingeschlossen hatte, würden sie sich niemals wiedersehen. Zur Feier des Tages werde ich die größte Party meines Lebens geben , schwor sie sich. Dieser unmögliche Typ war wirklich der Letzte, mit dem sie eine Ewigkeit zusammenleben wollte. Die wenigen Tage, die ihr gemeinsames Abenteuer noch dauern würde, reichten vollends aus, sie für immer von romantischen Ideen über Piraten und andere Gesetzlose zu kurieren. Sollte es jemals einen Seelenpartner für sie geben, dann wäre dieser Mann aus gutem Haus, unglaublich reich und er trüge – Schuhe! Ihre Stimme klang ein klein wenig schrill, als sie Morgan ansprach: «Na, prima. Alkohol am frühen Abend. Geht’s noch?» Warum trank er das Zeug, wenn es doch kaum mehr brachte als schlechten Atem?
    Morgan ließ sich Zeit damit aufzustehen und den Fernseher auszuschalten. Sorgfältig, wie ein wirklich Betrunkener, stellte er die fast leere Flasche ab. «Meine Zahnbürste ist da drin», nuschelte er und zeigte auf die Badezimmertür.
    «Fein, und da spülst du dir eben die Zähne mit Whisky. Alte Gewohnheiten sterben langsam, zweifellos bist du seit frühester Jugend an Alkohol

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