Der Blutkristall
annahmen. Mehr brauchte es nicht sie zu betören, und entgegen aller guten Vorsätze schlang sie einen Arm um seine Schultern, um ihn näher heranzuziehen. Morgan reagierte wie ein Löwe, der sich seiner Beute sicher war. Mit einer lasziven Eleganz richtete er seinen Oberkörper auf, drehte Vivianne auf den Rücken und hielt sie unter sich gefangen. «Willst du wirklich mit dem Feuer spielen?», grollte er und hielt ihre Hände fest, um sie daran zu hindern, ihn zurückzustoßen. Vivianne wollte nicht spielen, sie wollte erobert werden. Endlich einmal einen Mann spüren, dessen Kräfte den ihren gewachsen waren und dem sie sich nach Lust und Laune unkontrolliert hingeben konnte, anstatt ständig darauf zu achten, in keinem Augenblick des Beisammenseins ihre wahre Natur preiszugeben. Morgan war kein schwerer Mann, aber seine Haut spannte sich glatt und leicht gebräunt über einen Körper, der nicht besser hätte trainiert sein können. Offenbar musste er vor seiner Transformation viel Zeit im Freien verbracht haben und sein Leben dürfte nicht ungefährlich gewesen sein, zahlreiche Narben zeugten von gewaltsamen Auseinandersetzungen. Sprachlos bestaunte sie, wie exotische Ornamente seine Muskeln an Brust und Armen auf erregende Weise betonten. Zum ersten Mal fiel ihr auf, wie meisterhaft diese Arbeit ausgeführt war. «Du bist tätowiert!»
Er hielt in seiner Bewegung inne. «Stört dich das?»
«Im Gegenteil!» Vivianne hatte immer davon geträumt, eines Tages einem romantischen Freibeuter in die Hände zu fallen, und jetzt schienen ihre Fantasien Wirklichkeit zu werden. Sie zog ihn zu sich herab und übersäte sein Gesicht mit flatternden Küssen, als wäre dies der einzige Weg, ihn niemals wieder hergeben zu müssen. Morgan ließ sich nicht zweimal bitten. Fordernd verschaffte sich seine Zunge Zugang zu ihrem Mund. Sie wehrte sich spielerisch und fachte sein Feuer damit nur noch mehr an. Er war grob. Beinahe wütend versuchte er, ihren vorgetäuschten Widerstand zu brechen. Die heimliche Lust daran, sich hilflos ausgeliefert und gleichzeitig begehrt zu fühlen, öffnete Tore in ihrer Seele, von deren Existenz sie bisher nichts gewusst hatte. Es gibt Situationen, in denen eine Frau einfach nur ein reizendes Weib sein will, und dieser gehörte dazu. Vivianne fühlte das Echo ihres Herzschlages an Stellen ihres Körpers, die sie schon viel zu lange nicht mehr auf diese Weise gespürt hatte. Ungeduldig zerrte sie an ihrem Hemd. Morgan hielt einen Augenblick lang inne und betrachtete sie mit einem merkwürdigen Ausdruck in seinem Gesicht. «Nicht so schnell, Prinzessin!»
Wie Verhungernde kosteten sie einander, und mit Genugtuung sah Vivianne, wie seine Muskeln vor unterdrückter Lust zu zittern begannen. Oh ja, er wollte sie beißen, von ihrem heißen Blut kosten, ebenso wie sie es gestern bei ihm getan hatte, und Vivianne, die sich niemals freiwillig einem Befehl unterwarf, gehorchte sofort, als er verlangte: «Zeig mir deinen Hals!» Seine Hand schnellte vor und drückte ihren Kopf tief in das Kissen. Aus den Augenwinkeln sah sie noch die langen Reißzähne, den gefährlich weit aufgerissenen Mund, und dann spürte sie nichts weiter als diesen exquisiten Schmerz, nach dem sie sich ein Leben lang gesehnt hatte. Dunkelheit umgab sie und Vivianne erlebte die vollendete Ekstase.
Ich liebe Turteltauben – besonders zum Frühstück! Wie zwei ertappte Teenager fuhren sie auseinander.
Kapitel 10
Morgan sah aus, als wolle er zum Mörder werden. Nur langsam fand er zu sich selbst zurück und wischte sich mit sehr kontrollierten Bewegungen Viviannes Blut vom Kinn.
«Nabrah, verschwinde!», sie schrie fast vor Enttäuschung. Der Vogel krächzte, es klang wie ein Lachen. Die Läden waren noch fest verschlossen, aber sie hörte ihn wegfliegen.
Die Stimmung war dahin. Deshalb stieg sie aus dem Bett, wickelte sich dabei das Betttuch um und verschwand im Bad, ohne sich umzudrehen. Der Spiegel offenbarte ihr, was sie am liebsten verdrängt hätte. Einen Moment lang hatte es sich angefühlt, als risse ein Tier im Blutrausch ihre Kehle heraus, doch das war ihr noch vor wenigen Augenblicken gleichgültig gewesen. Der Schaden war geringer als befürchtet, zumindest der körperliche. Anstelle einer großen Verletzung sah sie nur zwei harmlose Wunden an ihrer Kehle. Vivianne stützte sich auf den Waschbeckenrand, um den Biss genauer anzusehen. Morgan wusste offensichtlich ganz genau, was er tat. In keiner Sekunde schien er die
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