Der Blutmond
Dann wirst du verstehen, was ich meine", sagte Noemi verheißungsvoll.
Als Mimma das hörte, knirschte sie mit den Zähnen. Weibliche Konkurrenz war das Letzte, was sie gebrauchen konnte. Um sich wieder zu beruhigen, suchte sie die Bar auf. Sie wollte sich einen Drink genehmigen, denn obwohl Alkohol Vampire nicht betrunken machte, so hatte er dennoch eine beruhigende Wirkung und hüllte ab einer gewissen Menge, alles in einen angenehmen Schleier, der es leichter machte, manche Dinge besser zu ertragen.
Die Bar glich zwar eher einem Ramschtisch beim Ausverkauf, doch es wurde eine große Menge an verschiedensten Spirituosen bereitgestellt, die für jeden frei zur Verfügung standen. Mimma nahm sich einen Plastikbecher und griff nach einer bereits angebrochenen Wodkaflasche. Zwar gehörte Wodka nicht zu ihren Lieblingsgetränken, doch er wirkte bei ihr am schnellsten, wenn es darum ging sich besser zu fühlen. Und darauf war sie aus. Hastig kippte sie sich hintereinander zwei halbvolle Becher in die Kehle. Mit geschlossenen Augen wartete sie darauf, dass der Alkohol in ihre Blutumlaufbahn schoss und sich schnell in ihrem Kreislauf verteilte. Anders als bei Menschen, setzte die Wirkung des Alkohols bei Vampiren sehr viel schneller ein, nicht so schleichend. Erst als ihr Körper von einem betäubenden Gefühl durchströmt wurde und sie sich leicht benommen fühlte, öffnete sie wieder ihre Augen und seufzte zufrieden auf. Und damit die Wirkung nicht so schnell nach ließ, füllte sie ihre Becher randvoll und sorgte mit kleinen Schlucken für stetigen Nachschub.
Mimma beschloss sich in Ruhe die anderen Gäste anzuschauen und lief langsam einmal um das Lagerfeuer herum, denn dort spielte sich der Großteil der Feier ab. Die meisten tanzten ausgelassen oder unterhielten sich angeregt. Dank ihrer verschärften Sinne, konnte Mimma jedes Gespräch von der Ferne aus belauschen. Es wurde für sie zu einem angenehmen Zeitvertreib, ein kleines Hobby, sich die Geheimnisse anderer anzuhören, die untereinander, hinter vorgehaltener Hand, ausgetauscht wurden. So bekam Mimma oft private Dinge mit, wie Geldprobleme, Verschwörungen und einige sexuelle Intrigen, die sie durchaus als unterhaltsam empfand.
Unerwartet tippte ihr jemand von hinten auf die Schulter. Genervt von dem Annäherungsversuch, fuhr sie herum und blickte in die dunklen Augen eines gutaussehenden Mannes, der sie freundlich anlächelte. Er war ein Mensch. Zum einen konnte man es riechen. Sein warmes Blut strömte durch seine Adern und pulsierte. Es war voller Leben. Und zum anderen konnte man ihm seine Menschlichkeit ansehen, denn im Sekundentakt veränderte sich seine äußere Hülle. Für das menschliche Auge waren signifikante Veränderungen des Aussehens erst nach Jahren sichtbar, doch Mimma konnte bereits jetzt schon den Zerfall seines Körpers mit ansehen.
"Hallo, ich bin Akos", sagte er und streckte Mimma zur Begrüßung seine Hand hin. Angewidert betrachtete Mimma seine Hand und machte keinerlei Anstalten seine Begrüßung zu erwidern. Seit Mimma ein Vampir war, hatte sie für Menschen nicht mehr viel übrig und jeder Mann, der ihr Avancen machte, wurde eiskalt abserviert. Zum Leidwesen von Mimma, waren es viele Männer, die seit ihrer Verwandlung den Mut hatten, sie anzusprechen, denn Vampire übten auf Menschen eine magische Anziehungskraft aus. So wie Motten vom Licht angezogen wurden, um dann kläglich im Feuer zu verbrennen, so wurden Menschen von Vampiren angezogen, was in vielen Fällen ebenfalls zum Tod führte.
"Ich habe kein Interesse", erwiderte Mimma gelangweilt.
"Schade, ich wollte nur nett sein", meinte Akos und lächelte noch immer freundlich.
"Ich bin das genaue Gegenteil von nett", sagte Mimma in einem strengen Ton und ließ ihre Fangzähne hervor blitzen. Völlig unbeeindruckt von der Tatsache, dass Mimma ein Vampir war, blieb er weiterhin hartnäckig und versuchte sich ihr aufzudrängen.
"Ich weiß, dass du ein Vampir bist. Das macht mir keine Angst, denn die Vampire hier sind alle nett. Wir können uns doch nur unterhalten", schlug Akos vor.
"Ich bin aber kein Vampir aus der Gegend.
Da wo ich herkomme, hätte man dir schon längst die Eingeweide herausgerissen und dir damit dein aufdringliches Maul gestopft!", knurrte Mimma und funkelte Akos böse an.
"Ach jetzt sei doch nicht so. Du bist so hübsch. Das passt gar nicht zu dir, so etwas zu sagen. Lass uns doch einfach miteinander reden und sehen wo das heute noch hinführt", sagte
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