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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Winkel des Raumes. Hinrik trat einen weiteren Schritt vor, und jetzt sah er Störtebeker. Der Baron lag auf einem Polster. Sein Gesicht war ungewöhnlich bleich, und die Wangen waren tief eingefallen. Er bot das Bild eines Sterbenden.
    |384| »Claas – was ist mit Euch?« Er eilte zu dem Freund und beugte sich über ihn. Störtebeker schlug die Augen auf und sah ihn an, schien ihn jedoch nicht zu erkennen. Es dauerte eine Weile, bis sich seine Augen belebten und ein scheues Lächeln über seine bärtigen Lippen glitt.
    »Hinrik, ich wusste, dass Ihr kommt.«
    »Was ist los?«
    Regina stand auf und kam zu ihnen. Sie legte Hinrik die Hand auf die Schulter.
    »Wir sind verraten worden«, berichtete sie. »Als Claas und wir in Wismar waren, haben zehn bewaffnete und maskierte Reiter den Hof überfallen. Sie wurden angeführt von einem Ritter in einer bronzenen Rüstung. Er hat schrecklich gewütet unter den Knechten, die sich ihm entgegenstellten. Er und die anderen haben alles mitgenommen, was von Wert war. Die Kammer mit dem Geld haben sie aufgebrochen und alles gestohlen, was darin war.«
    »Der bronzene Ritter! Die Kammer mit dem Geld? Sie kannten das Geheimnis? Nicht einmal mir hat Claas verraten, wo die Kammer ist.« Er hatte Mühe, sich zu beherrschen. Wieder hatte der unheilvolle bronzene Ritter zugeschlagen, und niemand hatte ihm etwas anhaben können. »Woher wussten diese Strauchdiebe überhaupt von der Kammer?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete die Baronin niedergeschlagen. Sie war eine schlanke, beinahe zierliche Frau von angenehmem Wesen. Von ihr ging eine erstaunliche Kraft aus. Ihre beiden Töchter wirkten dagegen blass und ausdruckslos. »Wir sind völlig mittellos. Als wir von Wismar zurückkamen, waren noch einige der Maskierten da. Sie haben Feuer an die Scheune und die Katen gelegt. Claas hat sich ihnen entgegengestellt, aber er hatte nur einen Dolch, und gegen diese Übermacht konnte er nichts |385| ausrichten. Ich danke Gott dafür, dass er lebt. Es ist ein Wunder, dass sie ihn nicht getötet haben.«
    Wie sich nun zeigte, hatte Störtebeker gefährliche Verletzungen an den Armen, den Beinen und an den Schultern davongetragen. Sie hatten ihn geschwächt. Tagelang war er von einem schweren Fieber heimgesucht worden, so dass seine Familie bereits mit seinem Ableben gerechnet hatte. Glücklicherweise hatte er sich wieder erholt. Er war auf dem Wege der Besserung. Die Wunden heilten. Aber er fühlte sich sehr schwach.
    »Ihr seid nicht mittellos«, sagte Hinrik, als er am Abend mit Regina und den beiden Töchtern am brennenden Kamin saß. »Claas hat seinem Bruder geholfen, indem er seine Schulden bezahlt hat. Jetzt wird sein Bruder ihm helfen.«
    »Leider nicht«, klagte Regina. »Peer war hier. Ihr habt ihn ja gesehen.«
    »Das war sein Bruder Peer?«
    »Ja. Wir haben ihn um Hilfe gebeten. Aber sagte, er sei nun endlich schuldenfrei und könne keine neuen Schulden machen, um uns auf die Beine zu helfen.« Bitter fügte sie hinzu: »So was nennt man Dankbarkeit!«
    Sie sprach nicht aus, wie der Baron sich seine Zukunft vorstellte. Das war auch gar nicht nötig. Hinrik ahnte ohnehin, welche Konsequenzen der Überfall und der Verlust des Geldes hatten. Sobald Störtebeker wieder gesund war, würde er hinausziehen auf die Nordsee und sich von den Schiffen der Hanse holen, was er brauchte, um den Hof wieder aufzubauen.
    »Ganz sicher werde ich das tun«, bestätigte ihm Störtebeker einige Tage später, als er so weit wiederhergestellt war, dass er aufstehen und das Haus verlassen konnte. Er ging mit Hinrik durch die verschiedenen Gebäude des Anwesens, um die Schäden zu begutachten. »Regina ist |386| damit nicht einverstanden. Sie möchte lieber, dass ich bleibe. Das Vieh ist ja noch da, und im Herbst haben wir die Saat für den Winterweizen ausgebracht. Wir könnten es also schaffen. Zum Sperberhof gehören einige Dutzend Familien von Freien und Unfreien. Für sie bin ich ebenfalls verantwortlich, kann aber ohne Geld nicht für sie sorgen. Also gibt es nur einen Ausweg – die Kaperfahrt auf der Nordsee. Und es gibt einen weiteren Grund, Hof und Familie vorübergehend zu verlassen. Ich werde Jagd auf den bronzenen Ritter machen, und ich werde ihn zur Strecke bringen. Wichtiger aber ist, dass ich herausfinde, wer der Verräter ist, der den Bronzenen und seine Männer zur Schatzkammer geführt hat. Er wird dafür büßen, was er getan hat.«
    »Es muss jemand sein«, überlegte Hinrik, »der sich

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