Der Blutrichter
gut auskennt im Haus und der wusste, dass Ihr mit sehr viel Geld zurückgekommen seid.«
»Ich habe lange nachgedacht«, sagte der Baron und schüttelte ratlos den Kopf. »Ich kann mir nicht erklären, was geschehen ist. Die sechs Likedeeler, die mit uns gereist sind, haben mich nicht verraten. Ich kenne diese Männer seit Jahren. Für jeden von ihnen würde ich die Hand ins Feuer legen. Ich habe Gäste aus Wismar gehabt, aber keinem von ihnen habe ich die Schatzkammer gezeigt. Wisst Ihr, wo sie ist?«
»Nein, Ihr habt sie mir nie gezeigt, und das ist gut so.«
»Im Keller des Hauses, versteckt hinter einer Mauer, die auf gefetteten Holzrollen steht, so dass man sie ein Stück zur Seite schieben kann. Erst dann wird die vielfach mit Eisen und Schlössern gesicherte Tür zur Schatzkammer sichtbar. Wer nicht weiß, dass die Tür hinter der Mauer versteckt ist und wie man die Mauer bewegt, wird die Schatzkammer niemals entdecken. Vor der Kammer befindet sich eine Falltür, die gesichert werden muss, |387| bevor man die Tür öffnet. Wer das nicht weiß, fällt unweigerlich in einen Schacht, aus dem es kein Entrinnen gibt. Bei dem Überfall ist niemand in die Falle gegangen. Wer die Schatzkammer geplündert hat, kannte also jedes Detail. Ehrlich gesagt, es ist mir ein Rätsel, wie das passieren konnte.«
»Wer weiß, wo die Kammer ist und wie sie geöffnet wird?«
»Regina, meine beiden Töchter und ich. Sonst niemand.«
»Es muss jemanden geben. Ich habe mir den Überfall schildern lassen. Der Bronzene und seine Männer sind gezielt und ohne zu zögern zur Schatzkammer vorgestoßen. Sie haben nicht danach gesucht. Sie haben Regina und Eure Töchter nicht gequält, um von ihnen zu erfahren, wo sie ist, sondern sind sofort zu ihr vorgedrungen. Die Kammer war ihr Ziel, und sie haben keine Umwege gemacht. So handelt nur jemand, der ganz genau weiß, was zu tun ist.«
»Ich werde es herausfinden. Verlasst Euch darauf!«
Hinrik fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Durchdringend blickte er Störtebeker an, und dann fragte er gerade heraus: »Habt Ihr mit irgendjemandem gesoffen, so viel, dass Euch die Erinnerung daran im Stich lässt?«
»Nein«, gab der Baron zurück und lächelte scheu, als wäre es ihm unangenehm, dass Hinrik seinen Durst ansprach. »Seit ich wieder auf dem Sperberhof bin, habe ich nicht ein einziges Mal über den Durst getrunken. Ich habe niemandem etwas verraten. Im Suff schon gar nicht.«
So sehr sie sich auch bemühten, der Überfall blieb ein Rätsel.
»Also geht Ihr wieder auf Kaperfahrt«, stellte Hinrik schließlich fest. »Ich hoffe, Ihr nehmt mich mit. Ich möchte |388| dabei sein. Mir geht es nicht anders als Euch. Ich bin mittellos. Und ich habe eine Rechnung offen mit dem bronzenen Ritter. Ich werde alles tun, um ihn zur Strecke zu bringen. Mit Euch zusammen oder allein.«
Störtebeker hob die Hand und ballte sie zur Faust. Vor der abgebrannten Scheune blieben sie stehen. Von dem schwarzen, verkohlten Holz ging noch immer ein intensiver Brandgeruch aus.
»Wir gehen auf Kaperfahrt. Ein allerletztes Mal. Und wenn es vorbei ist, sind wir wohlhabende Leute. Das garantiere ich Euch. Über eines aber müsst Ihr Euch klar sein. Nach dem Ende der goldenen Zeit auf der Ostsee wurden wir auf der Nordsee von einigen Handelsherren geduldet. Wir wurden sogar mit wichtigen Informationen über Schiffe und Ladungen versorgt, wussten genau, welche Schiffe wir kapern mussten, um gute Beute zu machen.«
»Von wem?«
»Hm, ich denke, das behalte ich lieber für mich. Es ist unwichtig. Bedeutender ist, dass sich die Bedingungen geändert haben. Die Hanse schlägt zurück. Also ist mehr Geschick als bisher gefordert. Mehr Einsatz, mehr Wagemut. Die Gefahr ist größer, und wenn es ganz schlimm kommt, enden wir auf dem Grasbrook.«
»Ich bin dabei«, entschied Hinrik. »Danach habe ich einiges in Hamburg zu regeln. Es gibt jemanden, dem es an den Kragen gehen wird.«
»Ihr meint Wilham von Cronen?«
»Ihn und Thore Hansen. Der Henker will mir einen Mord anhängen, den er selbst begangen hat.«
»Das ist Eure Sache. Geht mich nichts an.«
»Ich nehme an, es gibt gewisse Beziehungen zwischen Euch und Wilham von Cronen. Ihr werdet mich nicht daran hindern, den Ratsherrn einen Kopf kürzer zu machen?«
|389| Störtebeker antwortete nicht sofort. Er blickte nachdenklich vor sich hin, zuckte schließlich mit den Achseln und entgegnete: »Ihr habt recht. Es gab geschäftliche Beziehungen
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