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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Möglichkeit, ohne Hilfe nach Hamburg zurückzukehren.
    Mit einem kleinen Darlehen ausgestattet, das Störtebeker ihm gewährt hatte, suchte Hinrik zunächst Wismar auf. Aber keiner der Ärzte dort wusste etwas von Greetje. Hinrik zog weiter nach Rostock und über Stralsund nach Danzig.
    Nachdem er vergeblich bei den Ärzten der Stadt nach Greetje gefragt hatte, schlenderte er zum Hafen hinunter, in dem mehrere Koggen vertäut lagen. Er las die Namen der Schiffe. »Schwalbe«, »Rose des Nordens«, »Margareta«, »Herz von Jerusalem«, »Kleiner Wal«. Dann fiel sein Blick auf einen Schiffsnamen, den er nicht lesen konnte, weil er in vollkommen fremden Buchstaben verfasst war, in kyrillischen Buchstaben.
    Hinrik dachte an die Begegnung mit dem Händler Gromann, der ihm berichtet hatte, dass Greetje auf ein Schiff gebracht worden war, dessen Name in fremder Schrift geschrieben war. Also war Greetje möglicherweise in den Osten verschleppt worden und befand sich nun in einer dieser fernen Hansestädte.
    Als einer der Männer von der Besatzung der Kogge an Deck kam, wandte Hinrik sich an ihn. Der Mann sprach russisch, beherrschte aber ein paar deutsche Brocken. Sie |382| reichten aus, um sich mit ihm zu verständigen. Die Mannschaft dieses Schiffes hatte keine junge Frau an Bord genommen und auch den Hamburger Hafen nicht angelaufen.
    Trotz der Enttäuschung fasste Hinrik neuen Mut und setzte seine Suche fort. Im November erreichte er Königsberg, kämpfte sich durch Schnee und Eis bis Windau durch und zog danach weiter bis nach Riga. Seine Suche aber war in den Hansestädten ebenso erfolglos wie in Kokenhusen, in Pernau oder Dorpat, die im Landesinneren lagen. Im Januar erreichte er das Hansa-Kontor von Nowgorod.
    Der Winter hielt das Land fest in seinen Krallen, und die Temperaturen fielen weiter, so dass weite Teile des Finnischen Meeres zufroren. Dazu setzten Schneestürme ein, die eine Weiterreise unmöglich machten. Riga schien unter Eis und Schnee zu erstarren. Die Menschen zogen sich in ihre Häuser zurück.
    Anfang März aber wälzte sich eine Warmluftfront über das Finnische Meer und das angrenzende Land. Das Eis brach auf, und der Schnee schmolz. Mit der »Friederike«, einem der ersten Schiffe, die sich auf den Weg nach Westen machten, verließ er Riga. Ihm wäre es am liebsten gewesen, wenn das Schiff direkt nach Wismar gefahren wäre, doch diesen Gefallen tat ihm der Kapitän nicht. Auf dem Weg nach Rostock und Lübeck brachte er Handelsware zu verschiedenen Häfen. In einigen konnte er neue Ware erst nach mehreren Tagen aufnehmen. So dauerte es nahezu drei Wochen, bis Hinrik endlich in Wismar eintraf. Er machte sich sogleich auf den Weg zum Sperberhof.
    Schon als er die Zufahrt zu dem Hof des Barons erreichte, merkte er, dass etwas nicht stimmte. Einige der Katen waren verlassen, nirgendwo waren Kinder zu sehen, und eine der Scheunen war abgebrannt. Die Hühner |383| waren weg. Lediglich ein Hahn krähte nahezu ununterbrochen. Ein paar Schweine waren aus ihren Gehegen ausgebrochen.
    Die letzte Meile bis zum Herrenhaus rannte Hinrik, als käme es darauf an, möglichst schnell dort zu sein. Das Eingangstor stand offen. Eine seltsame Beklemmung befiel ihn. Das Frühjahr hielt seinen Einzug in Mecklenburg. Bäume und Sträucher zeigten ein erstes Grün, und ein wolkenlos blauer Himmel verhieß Wärme und Zuversicht. Das Haus aber schien von einer unerklärlichen Melancholie befallen zu sein. Über dem Eingang kauerten auf einem Mauervorsprung zwei Raben. Laut krächzend zankten sie sich. Sie kamen Hinrik vor wie ein böses Omen.
    Zögernd trat er ein. Die Bohlen knarrten laut unter seinen Füßen, als wollten sie weithin verkünden, dass Leben in das Haus zurückkehrte. Er wandte sich der Tür zu, die zum Hauptraum führte. Sie war angelehnt. Langsam schob er sie auf, und dann sah er Regina mit ihren beiden Töchtern am Tisch sitzen. Sie waren bleich, und ihre geröteten Augen verrieten, dass sie geweint hatten. Auf ihren Gesichtern hatten Angst und Verzweiflung Spuren hinterlassen.
    Ein schmächtiger, leicht gebeugter Mann in schwarzer, silbern bestickter Kleidung, bleich und mit ungewöhnlich großen braunen Augen nahm einen dunklen Hut vom Tisch und stülpte ihn sich auf den Kopf. Er verneigte sich vor Regina und ging hinaus, ohne Hinrik zu beachten. Rasch entfernten sich seine Schritte.
    »Regina!«, rief Hinrik. »Was um alles in der Welt ist hier los? Wo ist Claas?«
    Ihr Blick richtete sich auf einen

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