Der Blutrichter
zwischen Wilham von Cronen und mir. Außerdem war Jan Terhuusen aus Wismar in das Geschehen eingebunden. Er hat die Fäden im Hintergrund gezogen. Im Auftrag des Herzogs von Mecklenburg hat er mich darüber informiert, welche Schiffe gekapert werden sollten und welche Beute dabei zu machen war. Dafür hat er die Hälfte der Beute erhalten. Vermutlich musste er davon etwas an den herzoglichen Hof abliefern.«
Störtebeker ging weiter, um die zerstörten Katen zu inspizieren.
»Wilham von Cronen war ein wichtiger Abnehmer der Waren. Als sich unsere Geschäfte dann wegen der Kalmerer Union zwangsläufig von der Ostsee auf die Nordsee verlagerten, hat er die Rolle Jan Terhuusens übernommen.«
»Und Terhuusen?«
»Ist verschwunden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat ihn seine Geldgier ins Verderben geführt. Es gibt einige Hinweise darauf, dass einflussreiche Leute aus dem weiteren Umkreis des Herzogs für sein Ableben gesorgt haben.«
»Was ist mit Wilham von Cronen? Schaltet Ihr ihn ein, wenn wir jetzt wieder auf Kaperfahrt gehen?«
»Nein. Dann müsste ich ihm eine Provision bezahlen. Aber ich denke nicht daran, irgendjemandem etwas abzugeben. Wir machen einen Beutezug und behalten alles für uns. Von Cronen hat genug an uns verdient. Schon bei der letzten Kaperfahrt ist er leer ausgegangen. Das ist vermutlich einer der Gründe dafür, dass er sich entschlossen hat, Jagd auf mich zu machen.«
»Einer der Gründe?«
|390| Störtebeker lächelte in seiner eigentümlichen Art. »Wenn in Hamburg ruchbar wird, dass der hohe Ratsherr, der Handelsherr und Richter mit den Likedeelern und mir zusammengearbeitet hat, dürfte es höchst unangenehm für ihn werden. Er wird bemüht sein, mich als Zeugen auszuschalten.«
»Könnte es sein, dass er mit dem Überfall auf den Sperberhof zu tun hat?«
»Das halte ich für unwahrscheinlich. Ich habe alles getan, um vor ihm geheim zu halten, woher ich wirklich komme. Nicht einmal Jan Terhuusen hat vom Sperberhof gewusst. Wir haben immer in Wismar miteinander verhandelt. Wilham von Cronen bin ich nur in der Nähe von Itzehoe und auf offener See begegnet.«
Hinrik war mit dieser Antwort nicht ganz zufrieden. Es gab eine Verbindung zwischen Itzehoe und dem Sperberhof. Den bronzenen Ritter. Diesen geheimnisvollen Reiter hatte er bei Itzehoe gesehen, und er wusste, dass der Bronzene seinen Vater getötet hatte. Ebenfalls in der Nähe der Stadt an der Störschleife. Es lag auf der Hand, dass dieser Ritter eine Beziehung zum Grafen Pflupfennig hatte, der wiederum eng mit Wilham von Cronen befreundet war. Der eine konnte dem anderen Informationen übermittelt haben.
Hinrik gab seine Gedanken zum Besten.
»Ich werde darüber nachdenken«, versprach Störtebeker. »In spätestens zwei Wochen brechen wir auf. Bis dahin bin ich wieder vollkommen gesund. Wir kehren nach Ostfriesland zurück. Gödeke Michels wird sich dort sehen lassen. Das haben wir so vereinbart.« Er sah Hinrik an und griff nach dessen Händen. »Nun habe ich noch eine Frage.«
»Wenn ich kann, werde ich sie Euch beantworten.«
»Wer ist diese unglaubliche Frau, nach der Ihr sucht |391| und für die Ihr die Strapazen einer Winterreise in den Osten auf Euch genommen habt?«
»Ihr kennt sie nicht.« Hinrik zuckte mit den Achseln. »Sie heißt Greetje, und sie ist Wilham von Cronen ebenso in die Quere gekommen wie ich. Vermutlich ist er derjenige, der den Auftrag gegeben hat, sie aus Hamburg zu verschleppen.«
»Greetje?« Störtebeker schüttelte verwundert den Kopf. »Habe ich wirklich Greetje gehört?«
|392| Wie fühlt sich Gras an?
Vollkommen verwirrt und von namenloser Angst getrieben rannte Greetje aus dem Haus. Sie konnte sich nicht erklären, was sie gesehen hatte. Während sie ziellos durch die Gassen eilte, gaukelten ihr Erinnerung und Fantasie die schrecklichsten Bilder von den Dämonen der Finsternis vor, die ihre todbringenden Arme aus der Hölle herausstreckten, um jeden zu sich hinab in die ewige Verderbnis zu ziehen, der in ihre Nähe kam und sich berühren ließ.
Sie hatte das Gefühl, als wäre sie allzu deutlich berührt worden von einem schier unbeschreiblichen Monster, das sich auf vielen Beinen durch das Halbdunkel der Kammer bewegt hatte. Sie dachte an die Bilder, die sie in den Kirchen und im Kloster von dämonischen Wesen gesehen hatte, die das Leben der Menschen vergifteten und sich auf heimtückische Weise ihrer Seelen bemächtigten. Die mahnenden Worte der Priester klangen in ihr an.
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