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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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kleinen Hof erwerben und Pferde züchten. Bis es jedoch soweit war, würde er nach Greetje suchen. Mit allen Mitteln. Und wenn es bis an sein Lebensende dauern sollte.
    Nach einer knappen Tagesreise bog Störtebeker nach Norden in Richtung Lübeck ab, um unmittelbar vor der Hansestadt bei einem großen, schlichten Haus Rast zu machen. Zwei Männer traten aus der Tür. Mit ihrer Kopfbedeckung und den Löckchen an den Schläfen gaben sie sich gleich als Juden zu erkennen. Nachdem sie freundlich gegrüßt hatten, öffneten sie das Tor zu einem Stall und räumten in aller Eile Geräte zur Seite, um Platz für Pferd und Wagen zu schaffen.
    Hinrik wurde nervös. Seit die Pest das Land heimgesucht und einen erheblichen Teil der Bevölkerung dahingerafft hatte, waren zahllose Juden aus Deutschland vertrieben worden.
    »Was machen wir hier?«, fragte er Störtebeker mit gedämpfter Stimme.
    Dieser sah ihn gelassen an. »Das sind anständige Leute, denen Ihr vertrauen könnt«, erklärte er.
    »Aber hatten die Juden nicht Schuld an der Pest?«, flüsterte er.
    »Unsinn«, widersprach der Freibeuter. »Das ist ein dummes Gerücht, ausgestreut von noch dümmeren Menschen. Die Juden trifft nicht mehr Schuld an der Pest als Euch oder mich. Ich habe Geld von ihnen geliehen. Deshalb sind wir hier. Ich habe vor, meine Schulden zu begleichen.«
    »Schulden?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Mein Bruder hat durch Leichtsinn und Dummheit sein ganzes Vermögen verloren und darüber hinaus Schulden gemacht. Um ihm zu |377| helfen, habe ich sie beglichen. Das war nur mit dem Geld möglich, das mir diese braven Leute zu einem anständigen Zins geliehen haben. Jetzt übergebe ich ihnen alles Gold und Silber, das wir dabei haben. Was zu viel ist, geben sie mir in Münzen zurück, mit denen ich überall im Norden und in den Hansestädten bezahlen kann. Das heißt, Münzen des Lübecker und des Wismarer Münzvereins. Morgen ziehen wir weiter.«
    Hinrik blieb skeptisch, gab seine Zurückhaltung jedoch bald auf, als er erlebte, wie herzlich sie aufgenommen und bewirtet wurden. Störtebeker und seine Likedeeler fühlten sich sichtlich wohl in diesem Haus. Allein Fieten Krai wollte nicht mit Juden unter einem Dach weilen. Ungewohnt mürrisch verabschiedete er sich, um nach Lübeck zu gehen. Spööntje, die beteuerte, absolut nichts gegen Juden zu haben, schloss sich ihm an. Ihr Ziel war von vornherein die Hansestadt an der Trave gewesen. Hier wollte sie ihren Lebensabend verbringen. Sie hatte Tränen in den Augen, als sie sich von Störtebeker, seinen Männern und von Hinrik verabschiedete. Rasch ging sie davon.
    »Ich werde hin und wieder bei dir vorbeikommen, um sicher zu sein, dass es dir gut geht«, versprach Störtebeker.
    Hinrik war müde und zog sich in eine Ecke des Stalls zurück, um zu schlafen. Die Likedeeler aber blieben die halbe Nacht bei den Juden und genossen deren Gastfreundschaft. Das hinderte sie nicht daran, schon früh am nächsten Morgen aufzubrechen. Da sie sich nicht mit einem Frühstück aufhalten wollten, gaben die Juden ihnen einen großen Korb mit Speisen und Getränken mit auf den Weg.
    Störtebeker war zufrieden. Er war sicher, ein gutes Geschäft gemacht zu haben.
    |378| »Ich freue mich auf zu Hause. Auf meinen Sperberhof«, sagte er, während sie gemächlich über die Feldwege nach Osten zogen. »Jetzt gibt es keine Unwegsamkeiten mehr. Wir können zu unserem normalen Leben zurückkehren. Die Zeit der Kaperfahrten liegt hinter uns. Dieses Kapitel ist abgeschlossen.«
    Ein paarmal machte er einen Umweg, als sie aus der Ferne bewaffnete Gruppen beobachteten. In einigen Fällen schien es sich um Wegelagerer zu handeln, in anderen um Landsknechte. Störtebeker hielt es für besser, ihnen nicht zu begegnen.
    Das Land war dünn besiedelt, so dass sie über weite Strecken hinweg keiner Menschenseele begegneten. Dabei kamen sie an Dutzenden von verlassenen Bauernhöfen vorbei, verfallene Höfe, deren Bewohner vor wenigen Jahrzehnten von der Pest hinweggerafft worden waren.
    »Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass die Menschen an der Pest gestorben sind«, begründete Störtebeker seine Entscheidung, in freier Natur zu übernachten, als sie am Abend am Feuer zusammensaßen. »Wahrscheinlich passiert überhaupt nichts, wenn wir so einen Hof betreten. Aber ich habe das Gefühl, dass Gevatter Tod irgendwo lauert und nur darauf wartet, dass er wieder jemanden mit der Beulenpest überfallen kann. Es muss eine schreckliche

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