Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
Vom Netzwerk:
Zeit gewesen sein.«
    Sie alle hatten Angst vor der Pest, die keiner von ihnen mehr selbst erlebt hatte, die ihnen aber aus zahllosen Erzählungen der Alten gegenwärtig war.
    Am nächsten Morgen brachen sie früh auf, drangen bis in die Nähe der Stadt Wismar vor, bogen dann nach Süden ab und erreichten am Abend ein großes Anwesen mit einem prächtigen Steinbau. Voller Stolz erklärte Störtebeker seinen Begleitern, dass dies der Sperberhof war, auf dem er zur Welt gekommen und aufgewachsen war. |379| Als sie sich dem Hof näherten, kamen sie an einigen Katen vorbei, vor denen Kinder spielten. Die Kinder wurden aufmerksam, und plötzlich schrie eines von ihnen: »Der Baron ist zurück! Der Baron! Der Freiherr ist da!«
    Zahlreiche Männer und Frauen kamen aus ihren Katen. Viele von ihnen winkten Störtebeker und seinen Begleitern freudestrahlend zu, und einige liefen ihnen voraus zum Herrenhaus, um die Nachricht von der Rückkehr ihres Herrn dorthin zu tragen. Als der Wagen vor dem Haus hielt, kamen eine blonde Frau und zwei etwa fünfzehnjährige Mädchen heraus. Sie liefen Störtebeker entgehen und fielen ihm lachend und zugleich vor Freude weinend in die Arme.
    »Baron?«, fragte Hinrik.
    Die sechs Likedeeler, die nun ebenfalls abstiegen, sahen ihn grinsend an.
    »Störtebeker ist eben immer für eine Überraschung gut«, sagte einer von ihnen.
    Einige Tage vergingen, in denen Hinrik sich mit seiner neuen Umgebung und dem Gedanken vertraut machte, dass Claas Störtebeker, erfolgreichster Seeräuber seiner Zeit, dem Hochadel angehörte. Er erfuhr, dass sich der Baron intensiv um seine Ländereien kümmerte, da während seiner Abwesenheit viel Arbeit liegen geblieben war.
    Eine Woche nach der Rückkehr des Freiherrn fand auf seinem Hof ein Fest statt, an dem alle Arbeiter teilnahmen und auch die Bewohner eines nahen Dorfes, die eingeladen worden waren. Sie alle konnten essen und trinken, so viel sie wollten, ohne dafür bezahlen zu müssen. Fieten Krai tauchte überraschend auf und sorgte mit seinen Gesängen für eine ausgelassene Stimmung.
    Hinrik hielt sich zurück. Er aß und trank wenig, beobachtete lieber, was geschah. Er sang und tanzte nicht mit |380| den anderen, auch nicht mit Regina, der Frau des Barons, oder mit den beiden Töchtern.
    »Was ist mit Euch los?«, fragte Störtebeker und legte ihm den Arm um die Schultern. »Ihr scheint Euch nicht zu freuen. Habt Ihr Kummer?«
    »Das kann man so sagen«, entgegnete er. »Ich liebe eine Frau, aber ich weiß nicht, wo sie ist. Sie wurde verschleppt, und ich habe keine Hoffnung, sie je zu finden.«
    »Man soll die Hoffnung nie aufgeben«, riet ihm der Freibeuter. »Immer wieder habe ich mich in meinem Leben in Situationen befunden, die nahezu aussichtslos waren. Immer wieder habe ich mich retten können. Gott ist auf Eurer Seite. Er ist stets auf der Seite der Liebenden. Da bin ich mir sicher.«
    »Ich bete jeden Tag zu ihm.«
    »Wenn ich Euch helfen kann, werde ich es tun«, versprach ihm Störtebeker.
    Hinrik nickte, um ihm zu danken. Dann war er wieder allein. Er verließ das Fest, um ein wenig spazieren zu gehen. Verzweifelt überlegte er, was er tun konnte, um Greetje aufzuspüren.
    Obwohl Hinrik einsah, dass Störtebeker über den Winter Hilfe auf dem Hof benötigte, wollte er nicht bleiben. Er war von einer großen Unruhe erfüllt und hoffte, dass das Schicksal Greetje und ihn wieder zusammenführen würde. Eine innere Stimme sagte ihm, dass sich Greetje nicht so weit von ihm entfernt aufhielt. In den Nächten, wenn er intensiv an sie dachte und Gott um Hilfe bat, meinte er gar, ihre Nähe zu spüren. Schließlich war er überzeugt, dass er nur hinauszugehen brauchte in eine der Hansestädte an der Ostseeküste, um sie zu finden.
    Er hatte kaum zwei Wochen auf dem Störtebeker-Hof verweilt, da trieb es ihn hinaus. Er brach auf, um nach Wismar zu reiten und sich dort umzusehen. Das Schiff, |381| auf das Greetje gebracht worden war, konnte ebenso nach England wie nach Wismar oder in eine der anderen Hansestädte gefahren sein. Er war entschlossen, sich überall umzusehen und nach ihr zu fragen. Vorsicht allerdings war geboten, um Wilham von Cronen nicht auf sich aufmerksam zu machen, der Verbindungsleute und Informanten in allen Häfen hatte.
    Hinrik hoffte, dass Greetje irgendwo in Diensten eines Arztes stand, vielleicht in Wismar, Stralsund, Danzig, Königsberg, Riga oder gar Reval. Eine junge Frau wie sie, zumal wenn sie mittellos war, hatte keine

Weitere Kostenlose Bücher