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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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niemals zurückerlangen, denn es gab niemanden, der den Vertrag für ungültig erklären konnte. Zum Richter der Stadt an der Störschleife zu gehen, wäre angesichts des Vertrages, den der Graf in Händen hielt, sinnlos gewesen.
    |128| Es war vorbei. Der Hof war verloren, und Greetje lebte in einer Welt, zu der er keinen Zugang mehr hatte.
    »Möchtest du noch etwas Suppe?«, fragte Evchen.
    Er schreckte aus seinen Gedanken hoch: »Gern. Ja, danke.«
    »Nun gib ihm schon, du dumme Kuh«, fuhr der Müller sie an. »Du siehst doch, dass sein Teller leer ist.«
    Sie presste die Lippen zusammen. Seine Grobheit verletzte sie. Flüchtig blickte sie Hinrik an, und er sah, dass sie ausdrucksvolle braune Augen hatte. Mit bebenden Händen reichte sie ihm seinen Teller und eilte dann ohne ein weiteres Wort hinaus. Krachend fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
    »Dummes Weib«, brummelte der Müller und verzog geringschätzig den Mund. »Ich wollte, ich könnte sie endlich unter die Haube bringen. Aber sie ist eine graue Maus. Außerdem ist sie vorne flach wie ein gehobeltes Brett, und hinten hat sie nichts. Welcher Mann ist schon scharf auf so ein Weib?«
    Er war ein ungehobelter Klotz. Mit einem solchen Verhalten würde er seine Tochter ganz sicher nicht an den Mann bringen.
    Von nun an erschien Evchen jeden Abend, um das Essen aufzutischen, das recht eintönig war. Entweder bestand es aus einer Suppe mit Fleischstücken, Bohnen und Kohl oder aus Fisch, wobei es entweder Lachs oder Hering gab. Abend für Abend musste sie sich von ihrem Vater beleidigen lassen. Und so eilte sie Abend für Abend hinaus und schlug die Tür krachend hinter sich zu, so dass es schien, als werde das Gebälk um sie herum zerbersten. Angesichts dieser Temperamentsausbrüche, die nicht so recht zu einer grauen Maus passen wollten, grinste der Müller. Ihm machte es Spaß, seine Tochter zu ärgern und zu provozieren.
    Sie wagte es nicht, gegen ihn aufzubegehren, und als |129| sie es doch einmal tat, packte er sie grob am Arm und schrie sie an: »Was erlaubst du dir? Wenn es dir in meinem Hause nicht mehr passt, dann geh. Dann kannst du deinen Unterhalt im Hurenhaus verdienen. Aber bei deinem Aussehen wirst du es verdammt schwer haben.« Dabei musterte er sie herablassend. Die Tränen schossen ihr in die Augen, und sie floh leise.
    Hinrik hatte Mühe, ruhig zu bleiben und den Müller nicht auf der Stelle für seine Grobheit zu bestrafen. Für ihn stand fest, dass er die Mühle spätestens im Frühjahr verlassen würde. Zuvor wollte er dem Müller eine Lektion erteilen, die dieser nicht so bald vergessen würde.
    Auch an diesem Abend zog er sich gleich nach dem Essen in seine Kammer zurück, die so winzig war, dass er sich gerade darin ausstrecken und seine wenigen Habseligkeiten unterbringen konnte.
    Als er auf seinem Lager aus Stroh lag, musste er an Spööntje denken, die ihm zur Geduld geraten hatte. Er würde abwarten und die Lage in aller Ruhe erkunden. Mit viertausend Einwohnern war Hamburg nicht besonders groß. Da hatte ihn Köln mehr beeindruckt, eine Stadt in der immerhin zehnmal so viele Menschen lebten. Wollte er unter diesen Umständen Informationen einholen, musste er mit größter Vorsicht vorgehen, oder er würde unweigerlich auffallen. Die Menschen kannten sich, und wenn sich jemand nach einem hochgestellten Bürger erkundigte, merkte mit Sicherheit der eine oder andere auf und trug die Nachricht weiter.
    Wenn er kopflos gegen von Cronen anrannte, würde er den Boden unter den Füßen verlieren und im Sumpf der großen Stadt untergehen, ohne sich wehren zu können.
    »Ich werde warten!«, schwor er sich. »Erst wenn ich mich auskenne und weiß, wie ich gewinnen kann, werde ich zuschlagen. Und wenn es Jahre dauert!«
    |130| Nahezu lautlos öffnete sich die Tür. Stoff raschelte, und bevor er recht begriff, was geschah, lag Evchen nackt neben ihm und schob ihre warme Hand über seine Schenkel. Hungrig suchten ihre Lippen nach seinem Mund.
    Sie war gar nicht so dürr, wie ihre unvorteilhafte Kleidung hatte vermuten lassen, und er hatte die süße Lust der körperlichen Liebe lange entbehren müssen. Sie fanden wie von selbst zueinander, und dabei erwies sie sich als erstaunlich geschickt und überaus erfahren. Im Bett war sie alles andere als eine graue Maus und wusste weit mehr zu geben, als er in seinem jungen Leben bis dahin erfahren hatte.
    Am nächsten Tag kam die Ernüchterung. Ihm wurde bewusst, dass die Begegnung in der Nacht

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