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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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nichts mit Zuneigung oder gar Liebe zu tun hatte, sondern einzig und allein mit Begierde. Er war sicher nicht der Einzige, der in den Genuss ihrer Besuche kam. In dieser Hinsicht mochte sie ihrem Vater gleich sein, der ständig auf der Suche nach neuen Abenteuern war. So verlockend und bequem es war, sich derlei Spielen hinzugeben, so sicher war, dass Schwierigkeiten nicht ausbleiben würden.
    Er wollte mit Evchen reden, um ihr seine Bedenken zu vermitteln, doch sie wich ihm aus. Wenn sie am Abend die Speisen brachte, sah sie ihn nicht an, und da ihr Vater dabei war, ergab sich ohnehin keine Gelegenheit. Begegnete er ihr bei seinen Streifzügen durch die Stadt, was hin und wieder vorkam, gönnte sie ihm ein kleines Lächeln und einen verheißungsvollen Blick, verschwand dann aber schnell in einem der Häuser oder ließ sich von einer Bekannten in ein Gespräch verwickeln.
    Wochen vergingen, bis sie wieder an der Tür seiner Kammer erschien. Als sie diese verschlossen fand, flüsterte sie: »Willst du mich nicht hineinlassen?«
    |131| »Besser nicht«, antwortete er. »Es wäre nicht recht.«
    »Du weist mich ab?« Ihre Stimme klang schrill.
    »Es hat keinen Sinn, Evchen«, erwiderte er hinter geschlossener Tür.
    Sie trat gegen die Tür, und dann hörte er, wie sich ihre Schritte entfernten. Wenig später ging unten in der Mühle eine Tür. Er lehnte sich aufatmend zurück, fühlte sich aber gar nicht wohl. Er mochte das Mädchen und wollte keinen Streit mit ihm. Sie tat ihm nicht nur leid, weil der Müller grob zu ihr war, sondern weil sie nicht fähig schien, eine echte Bindung aufzubauen. Er wollte ihr nicht wehtun, sah jedoch keine andere Möglichkeit, kommenden Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen.
    Für die Zukunft hatte er seine eigenen Pläne. Die Mühle war eine kleine Zwischenstation auf seinem Weg, der ihn wieder nach oben führen sollte. Er wäre endgültig gescheitert, wenn er Evchen geschwängert und der Müller ihn gezwungen hätte, sie zu heiraten.
    Nach dieser Nacht bereitete er seinen Abschied aus der Mühle vor. Evchen erschien wie üblich jeden Abend, aber sie war verändert. Sie machte einen verbitterten Eindruck, und ihr ohnehin fahles Gesicht schien den letzten Rest an Farbe eingebüßt zu haben. Hin und wieder sah sie ihn an, und dann meinte er, in ihren Augen blanken Hass zu entdecken.
    Auch dem Müller war so, zumal Evchen sich zu bissigen Bemerkungen hinreißen ließ oder Hinrik eine sehr viel kleinere Portion zukommen ließ als ihrem Vater.
    »Sie mag dich nicht«, stellte er beiläufig fest. »Man könnte meinen, ihre Abneigung geht so weit, dass sie dir Gift ins Essen streut.«
    Einmal verdarb sie ihm tatsächlich das Essen. Einige Tage und Nächte lang litt Hinrik unter heftigem und Kräfte zehrendem Durchfall und häufigem Erbrechen.
    |132| Als er sich erholt hatte, erwies sich der Müller als überraschend großzügig. »Ich lade dich zum Bier und einem kräftigen Essen ein«, sagte er. »Mich ärgert, was meine Tochter angerichtet hat. Du konntest dich kaum rühren. Davor hast du hart gearbeitet. Wir gehen in die ›Vier Eichen‹.«
    Hinrik zögerte, während er sich den Mehlstaub aus den Kleidern klopfte. »Fieten Krai hat mir dort mein letztes Geld gestohlen.«
    Der Müller schüttelte verblüfft den Kopf und lachte.
    »Fieten Krai, der Gaukler? Niemals! Ich kenne ihn. Er ist ein windiger Hund, aber er würde dich nie bestehlen. Hat die Wirtstochter auf deinem Schoß gesessen, dir schöne Augen gemacht und dir freizügig ihren Ausschnitt gezeigt?«
    »Allerdings. Willst du damit sagen, dass sie . . .?«
    »Und ob!« Er lachte erneut. »Sie zeigt den Männern, was sie in der Bluse hat, indem sie sich ordentlich weit über den Tisch beugt oder sich bei ihnen auf den Schoß setzt, und dabei klaut sie ihnen das Geld aus den Taschen. Die Männer glotzen ihr in den Ausschnitt und merken nichts, bis sie zahlen sollen. Dann fliegen sie hochkant aus dem Wirtshaus.«
    Beschämt gab Hinrik zu, dass er auf einen uralten Trick hereingefallen war. Nun zog es ihn geradezu zum Wirtshaus. Er wollte es der diebischen Berta heimzahlen. Der Müller grinste.
    »Vergiss es«, riet er ihm und trank seinen Krug Bier auf einen Zug leer. »Der Wirt und seine Tochter sind zu raffiniert, um sich erwischen zu lassen. Beweisen kannst du ihnen gar nichts. Sie beklauen immer nur Gäste, die zum ersten Mal bei ihnen sind und wohl auch zum letzten Mal. Genieße das Bier und die Speisen, begaffe von mir aus die

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