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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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berichtete der Wirt. Er kaute an einem trockenen Stück Brot. »Und es wird nicht so bald aufhören. Gut so. Das Wasser spült die ganze Scheiße von den Straßen in die Alster. Nach dem langen Winter ist viel liegen geblieben. Schlecht für den Henker.«
    »Was hat das Wetter mit dem Henker zu tun?«, fragte Hinrik, während er vorsichtig die Brühe schlürfte.
    |123| »Die Stadt hat ihm viel Arbeit für heute aufgetragen«, antwortete der Wirt gewichtig und mit einem gewissen Stolz, da sich Hamburg eines solchen Ereignisses rühmen konnte. »Er wird sieben Männer und eine Frau köpfen. Eigentlich wollte ich hingehen und mir das Schauspiel ansehen.« Er verzog das Gesicht und blickte trübsinnig zur Decke hoch, durch die es unaufhörlich tropfte. »Aber bei dem Regen . . .?« Er seufzte bedauernd. »Der Henker wird wohl nicht viele Zuschauer haben.«
    Er redete, ohne seinem Gast besondere Aufmerksamkeit zu schenken. »Falls Ihr mal wieder vorbeikommt, hier gibt es immer ein gutes Bier.«
    Hinrik nickte. Dabei blickte er sich unbehaglich um. Es war nicht ganz richtig, dass der Regen Kot und Abfälle in die Alster spülte. Einiges davon kam durch den breiten Spalt unter der Eingangstür herein und breitete sich auf dem Boden aus. Es würde nicht mehr lange dauern, bis es den Nebenraum erreichte und überschwemmte. Spätestens dann würden alle Schlafenden aufgescheucht werden.
    Er verspürte keine Lust, noch länger hierzubleiben. Draußen konnte es nicht unangenehmer sein. Er reichte dem Wirt den Becher, klemmte sich sein Bündel unter den Arm und trat auf die Straße hinaus. Das Dach hing ein wenig über, so dass er nicht sogleich im strömenden Regen stand, nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte.
    Hinrik stülpte sich eine Kappe über den Kopf und lief los. Zur Ringmauer stieg die Straße leicht an, und oben an der Mauer sah es etwas besser aus. Dort stand kein Wasser. Es gab einige trockene Plätze. Unter einem Dachvorsprung wartete ein Mann mit seinem Pferdewagen auf das Ende des Regens. Er rannte zu ihm hin, stellte sich neben dem Pferd an die Mauer und nickte dem Mann auf |124| dem Bock grüßend zu. Dieser antwortete, indem er kurz die Hand hob. Ansonsten döste er vor sich hin und zeigte keinerlei Interesse an ihm. Hinrik sah, dass der Wagen mit Säcken beladen war.
    »Das ist nicht gerade ein günstiger Tag, um Korn zur Mühle zu bringen«, sagte er.
    Der Mann auf dem Wagen richtete sich ein wenig auf. Zustimmend neigte er den Kopf. »Der Müller nimmt nichts an, wenn das Korn zu nass ist.« Hilflos hob er die Arme, um seine Machtlosigkeit gegen die Gewalten der Natur zu unterstreichen. »Ich kann nur abwarten, bis es aufhört zu regnen. Und wenn es bis zum Abend dauert.«
    Danach schwiegen sie und blickten in den Regen hinaus, der hin und wieder ein wenig nachließ, als wollte er Atem holen für den nächsten großen Angriff. Schließlich aber rissen die Wolken auf, und die Sonne ließ sich blicken.
    »Ihr könntet mir helfen«, sagte der Mann auf dem Wagen. Er hüllte sich in dunkle Tücher, die ihn größer und mächtiger erscheinen ließen als er war. Ein dichter Bart bedeckte die untere Hälfte seines Gesichts, und eine Kapuze reichte ihm so weit in die Stirn hinein, dass nur noch die Augenpartie frei blieb. Das linke Auge fehlte. An seiner Stelle befand sich eine rote, hässliche Narbe. Mit dem verbliebenen rechten Auge spähte er voller Argwohn zum Himmel hinauf. »Es könnte bald wieder anfangen zu regnen. Bis dahin muss ich den Wagen entladen haben, oder alles wird nass.«
    »Was gebt Ihr mir dafür?«, fragte Hinrik. Sie wurden sich rasch einig, und der Einäugige reichte ihm die Hand.
    »Ihr bekommt einen Korb voll Äpfel. Sie sind vom letzten Herbst und immer noch gut. Ich bin Will«, stellte |125| er sich vor. Er begleitete den Wagen zum Tor der Ringmauer hinaus zur Niedermühle, die sich mit ihren vier Flügeln hoch über die anderen Bauten erhob. Ein frischer Wind, der von Südwesten kam, ließ die Flügel kreisen und vertrieb die Feuchtigkeit. Kreischend tobte ein Schwarm Möwen um das Ende eines Flügels herum, in dem ein Kranich ein unglückliches Ende gefunden hatte. Mit heftigen Schnabelhieben versuchten sie, einen Teil der Beute zu ergattern.
    Die Tür der Mühle öffnete sich, und eine junge Frau hastete heraus. Mit der linken Hand raffte sie ihre Röcke, während sie mit der rechten ihr Antlitz vor den beiden Männern zu verbergen suchte, was ihr nur unzureichend

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