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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Wirtstochter und lass ansonsten den lieben Gott |133| einen guten Mann sein. Ändern wirst du gar nichts, und von deinem Geld siehst du auch nichts wieder.«
    Er trank noch einen Krug Bier aus.
    »Mir ist etwas aufgefallen. Die Bauern kommen alle mit Ochsenkarren.«
    »Ja – und?«
    »Ochsenkarren sind langsam und schwerfällig. Man sollte Pferde vor die Wagen spannen. Damit wären sie erheblich schneller. Man würde viel Zeit sparen. Das mag bei den Bauern nicht so wichtig sein, aber wenn es darum geht, Güter zu den Schiffen zu bringen, sieht es anders aus.«
    »Eine gute Idee«, lobte der Müller ihn und bestellte einen weiteren Krug Bier. Er prostete Hinrik zu und bemerkte nicht, dass dieser kaum trank. »Nur leider nicht umzusetzen.«
    »Warum nicht? Man könnte sich ein Pferd kaufen und den Transport anbieten.«
    »Das lassen die Zünfte niemals zu«, entgegnete der Müller und schürzte abfällig die Lippen. »Sie haben das Transportgewerbe fest in der Hand. Einen Neuling würden sie auf keinen Fall dulden. Die Zünfte sind mächtig. Sie verhindern zum Beispiel, dass in Hamburg eine dritte Mühle gebaut wird.«
    »Ein Pferd wäre ein Fortschritt.«
    »Daran ist niemand interessiert.« Er rülpste lautstark und orderte für beide eine kräftige Speise mit viel gebratenem Fleisch. »Von Cronen schon gar nicht.«
    »Wilham von Cronen? Der Ratsherr?«
    »Ebender.«
    »Was hat der damit zu tun?«
    »Er hat seine Finger in dem Geschäft, und es ist besser, ihm nicht in die Quere zu kommen.«
    Endlich war es Hinrik gelungen, das Gespräch auf Wilham |134| von Cronen zu bringen. Er hatte es einige Male bei den Bauern und Händlern versucht, die zur Mühle kamen, war aber stets gescheitert. Über den Ratsherrn redete man nicht. Allein die Tatsache, dass der Müller so viel Bier getrunken hatte, war dafür verantwortlich, dass er nun den Mund aufmachte. Allerdings kam er bald wieder von diesem Thema ab, nachdem er Hinrik eindringlich davor gewarnt hatte, sich mit dem Ratsherrn anzulegen.
    »Wir haben einen Baumeister in der Stadt, der sich darauf spezialisiert hat, Steinhäuser zu errichten«, erzählte er. »Er kam von Cronen irgendwie in die Quere, wurde danach von der Zunft ausgeschlossen und gar des Diebstahls beschuldigt. Heute schuftet er als Arbeiter bei der Salzgewinnung in der Nähe von Lüneburg. Armer Teufel!«
    Wochen und Monate vergingen. Immer wieder schob Hinrik seinen Abschied hinaus. Der Sommer zog ins Land, und die Arbeit wurde kaum weniger. Immer wieder kamen Bauern zur Mühle, um ihr Korn mahlen zu lassen. Dann begann die neue Ernte, und es kam so viel Arbeit auf die beiden Hamburger Mühlen zu, dass sie kaum zu bewältigen war.
    Schreiben konnte der Müller nicht. Dafür rechnete er umso besser. Zahlen kannte er allerdings nicht, sondern lediglich Striche, die er mit Kreide an eine große Wand schrieb. Da gab es einen Abschnitt, an dem er Tag für Tag einen Strich für Hinrik machte, um festzuhalten, welchen Lohn er zu bekommen hatte.
    »Ich schreibe auf, wie viele Tage du gearbeitet hast, und am Ende rechnen wir aus, was du dafür bekommst«, erläuterte der Müller. »Dann kannst du dir das Mehl auf die Schultern laden und alles dafür eintauschen, was du brauchst.«
    Hinrik tat, als durchschaue er das System nicht, hatte |135| aber längst erkannt, dass der Müller ihn betrügen wollte. Er ließ sich die Rechnung noch einmal erklären und verkniff es sich, dem Mann zu widersprechen. Der Müller brauchte nicht zu wissen, dass er lesen und schreiben konnte. Es hätte ihn misstrauisch gemacht und zu unnötigen Fragen veranlasst.
    Der Müller betrog nicht nur ihn, sondern vor allem die Bauern, die das Korn zu ihm brachten. Seine Kunden mussten für die Dienste bezahlen, die er leistete. Das geschah, indem sie ihm einen Anteil am Mehl überließen. Argwöhnisch wachten sie darüber, dass dieser Anteil nicht größer wurde als vereinbart – und wurden dennoch von ihm überlistet. Sie wussten nicht, dass ein Teil des Mehls im Mahlwerk verblieb, den der Müller später herausholte. Dabei war er geschickt genug, immer gerade so viel Mehl verschwinden zu lassen, dass es nicht auffiel. Am Ende blieb pro Tag mindestens ein Sack Mehl übrig – ein beträchtlicher zusätzlicher Gewinn.
    Mit seinem klaren Verstand durchschaute Hinrik den Müller sehr schnell, tat aber, als würde er nichts bemerken. Es widerstrebte ihm, den Müller ungeschoren davonkommen zu lassen, denn dieser bestahl die Bauern, die selbst

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