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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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gelang.
    »Dieser geile Bock«, lachte Will. »Ständig hat er andere Weiber.«
    Noch immer breit grinsend stieg er vom Bock und entfernte einige Bretter vom hinteren Teil des Wagens, die der Sicherung der Kornsäcke gedient hatten. In diesem Moment erschien der Müller, ein kleiner untersetzter Mann mit einem dicken Bauch und einem beinahe kahlen Schädel. Er beachtete Hinrik nicht, als er Will zeigte, wohin er die Säcke bringen sollte. Das änderte sich jedoch bald, als der Einäugige vier oder fünf der schweren Kornsäcke in die Mühle getragen hatte, danach seinen schmerzenden Rücken beklagte und stöhnend und ächzend eine Pause einlegte, so dass Hinrik die Arbeit allein erledigen musste.
    Der Müller beobachtete ihn mit Wohlgefallen, bis der letzte Sack Korn in der Mühle war. »Ein guter Mann«, lobte er. »So einen kann ich gebrauchen.«
    Hinrik überlegte nicht lange. Bestimmt würde er schlecht bezahlt, aber das kümmerte ihn nicht. Zunächst einmal wollte er in Hamburg Fuß fassen, möglichst unauffällig |126| und irgendwo am Rande der Stadt, um von hier aus seine Erkundigungen zu betreiben und nach dem Ratsherrn von Cronen zu suchen. Immer wenn er an ihn dachte, kamen Hassgefühle in ihm auf. Früher oder später würde er den Mann stellen, der ihn um Haus und Hof gebracht hatte, und am Ende würde er ihn niederschlagen.
    Noch war er geschwächt. Die Zeit bei Spööntje war zu kurz gewesen, um zu alter Kraft und Wendigkeit zurückzufinden. Daher war ihm die schwere Arbeit in der Mühle durchaus recht. Auf diese Weise konnte er sich stärken und seine alte Kampfkraft zurückgewinnen.
    Er arbeitete hart und redete wenig. Das war genau, was dem Müller am liebsten war. Dieser arbeitete nicht weniger, redete aber viel. Eigentlich stand sein Mund niemals still, selbst wenn er allein war. Er kommentierte alles, was er tat, und erklärte so umständlich und ausführlich, dass sein neuer Helfer am Ende gar nicht mehr hinhörte.
    Am ersten Tag arbeiteten sie bis spät in den Abend hinein, dann erschien Evchen, die Tochter des Müllers, eine unscheinbare junge Frau von etwa achtzehn Jahren, mit fahlem Teint und nach außen gestellten Füßen, auf denen sie sich watschelnd wie eine Ente bewegte. Sie war schlank und trug ein graues, hochgeschlossenes Kleid. Sie war so unauffällig, dass Hinrik sie kaum bemerkte.
    In einem Tonkrug brachte sie eine Suppe mit reichlich Fleischstücken, dazu einen zweiten Krug mit Bier. Über dem offenen Feuer erwärmte sie die Speise und schob den Krug danach auf den Tisch. Schweigend und mit scheuem Blick füllte sie Hinriks Teller.
    Während er hungrig die Suppe löffelte und gelassen hinnahm, dass der Müller sich selbst bediente und dabei die Fleischstücke herausfischte, beachtete er sie nicht.
    Seltsamerweise musste er an Magdalena denken, die |127| Tochter des Grafen Plupfennig, obwohl diese eine ganz andere Erscheinung war. Derb, ungeschickt, plump und ganz und gar nicht reizvoll für einen jungen Mann. Auch dass sie Kleider aus edlen Stoffen trug, die aus den fernsten Ländern stammten, und blitzender Schmuck ihre Finger und ihren Hals zierte, änderte daran nichts. Sie, die Tochter aus reichem Haus, hatte sich für ihn interessiert, als er noch Knappe des Ritters Christian war. Zusammen mit ihrem Vater war sie auf die Burg gekommen. Als sie einmal mit ihm allein gewesen war, hatte sie sich ihm genähert. Mit ihren sechzehn Jahren hatte sie ihn um mindestens einen Kopf überragt. In seiner Unerfahrenheit hatte er zunächst nicht erkannt, was sie von ihm wollte, und als er begriffen hatte, war er so erschrocken, dass er sie zurückstieß.
    Die Erinnerung an Magdalena lenkte seine Gedanken auf Evchen. Sie war ganz und gar anders als die Tochter des Grafen, dennoch war sie keine Frau, die ihn reizen konnte. Frauen wie sie interessierten ihn nicht und weckten keinerlei Gefühle in ihm. Das wäre bei Greetje ganz anders gewesen. Sie war zu einer Schönheit herangewachsen. Zu seinem Leidwesen hatte sich zwischen ihnen nichts geändert. Wenn er ihr einmal begegnete, was selten genug vorkam, strafte sie ihn mit Missachtung. Vielleicht sah sie ihn nicht, weil sie ihn nicht sehen wollte. Allein der Gedanke an sie erwärmte sein Herz und ließ es schneller schlagen. Dabei war sie weit von ihm entfernt, in einer anderen Welt. Bestimmt würde er nie mehr nach Itzehoe zurückkehren, auch dann nicht, wenn es ihm gelang, sich an Ratsherrn von Cronen zu rächen. Die Ländereien würde er

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