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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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mehr Zeit blieb, Hinrik einen kurzen Blick zuzuwerfen. Die Tür fiel ins Schloss, und die Stimme des Mannes verlor sich irgendwo im Inneren des Hauses. Verblüfft blieb Hinrik stehen. Er konnte sich keinen Reim auf das Verhalten dieses Mannes machen.
    In der Hoffnung, dass Greetje noch einmal herauskommen würde, wartete er eine Weile. Doch vergeblich. Im Haus rührte sich nichts mehr. Er war verwirrt, und es wollte ihm nicht gelingen, seine Gedanken zu ordnen. Sollte der unansehnliche Dicke ihr angetrauter Ehemann sein? Er konnte es sich nicht vorstellen. Die beiden passten doch überhaupt nicht zusammen, und die Art, wie sie ihm begegnet war, ließ ebenfalls nicht darauf schließen. Tatsache aber war, dass sie mit ihm im Haus verschwunden |165| war und sich keiner von beiden blicken ließ. Ein kleines Schild neben der Eingangstür wies darauf hin, dass Hans Barg in diesem Haus Kranke behandelte.
    Tief in Gedanken versunken machte Hinrik sich schließlich auf den Weg zu seinem Boot. Die Nacht war kurz. Er musste früh wieder auf den Beinen sein. Für den kommenden Tag wurde eine ganze Reihe von Schiffen erwartet, die von ihrer Fracht entladen und mit anderen Gütern wieder beladen werden mussten.
    Der Gedanke an Greetje ließ ihn nicht los. Er war sich ihrer Sympathie sicher. Er hatte ihre Nähe gespürt, als sie sich bei ihm eingehakt hatte, um Schutz zu suchen und sich durch die Nacht begleiten zu lassen. Ihre Wärme hatte seinen Herzschlag beschleunigt und ihn mit einer Leichtigkeit erfüllt, wie er sie schon sehr lange nicht mehr empfunden hatte.
    Nein, diese Frau würde ihn nicht verraten.
    Beunruhigend war nur dieser Mann, der vor dem Haus zu ihr gestoßen war und sie hineinbegleitet hatte, als hätte er einen Anspruch auf sie. Er musste herausfinden, wer dieser Mann war und welche Bedeutung er für sie hatte. Sonst würde er keine Ruhe finden.
    Je näher er seinem Boot kam, desto dunkler wurde es. Schließlich konnte er kaum mehr die Hand vor Augen sehen. Vorsichtig streckte er eine Hand aus und ließ sie an der Wand eines Lagerschuppens entlanggleiten. Als er das Ufer erreichte, ging er in die Hocke und stieg dann geschickt über eine einfache Leiter zu seinem Boot hinunter. Kaum war er an Bord, als er Schritte über sich hörte. Er blickte zur Brücke hinauf und machte die Gestalten von zwei Männern aus, deren Umrisse sich schwach gegen den Sternenhimmel abhoben. Sie redeten miteinander, allerdings so leise, dass er nur hin und wieder ein paar Worte verstehen konnte.
    |166| Er erfasste lediglich, dass die Rede von einer Kogge namens »Hohe Tide« war und er hätte wohl nicht weiter hingehört, wenn er nicht ebendieses Schiff vor kaum zwei Stunden beladen hätte. Er wusste, dass es am nächsten Tag nach Schweden auslaufen sollte.
    »Sie wird den Kurs an den nordfriesischen Inseln vorbei nehmen«, konnte er plötzlich ganz deutlich hören.
    »Alles klar«, antwortete eine dunkle Stimme. Dann entfernten sich die Schritte. Hinrik schob sich durch die Tür in die kleine Kabine, die ihm als Schlafraum diente. Leise ächzend streckte er sich aus. Es tat gut, sich auszuruhen. Kaum hatte er die Augen geschlossen, vernahm er erneut Schritte auf der Brücke. Eilig richtete er sich auf und kroch nach draußen.
    Wieder blickte er zur Brücke hinauf. Mittlerweile war der Mond hinter einem der Lagerhäuser hervorgekommen. In seinem Licht erkannte er eine massige Gestalt, die sich hinkend vorwärtsbewegte.
    Er war sicher, dass der Mann dort oben auf der Brücke jener Däne war, der mit Greetje ins Haus ihres Vaters gegangen war. In der Zwischenzeit schien er getrunken zu haben, denn er brabbelte vor sich hin.
    Irgendwie beruhigte es ihn, dass dieser Mann nun nicht mehr unter dem gleichen Dach weilte wie Greetje. Hinrik zog sich in seine Koje zurück, lauschte einige Zeit auf das Glucksen des Wassers an den Planken seines Bootes und schlief ein.
    Tag für Tag versuchte er nun, Greetje zu treffen. Sobald seine Arbeit am Kran erledigt war, oftmals erst spät am Abend, ging er zu Hans Bargs Haus und wartete darauf, dass sie erschien. Vergeblich. Ein paarmal sah er den Arzt davoneilen. Der hinkende Däne betrat das Haus beinahe täglich. Händler brachten Obst, Gemüse, Fleisch oder andere Dinge, die von Hans Barg oder einer Haushälterin |167| entgegengenommen wurden. Von Greetje aber war nichts zu sehen.
    Hinrik befürchtete, dass sie sich nicht mehr in Hamburg aufhielt oder dass sie ihn durch eines der Fenster beobachtete

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