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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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den Helfern in diesem Moment, den Verletzten in sein Haus zu bringen, wo er ihn besser versorgen konnte.
    Greetje aber lächelte. Ihre dunkelblonden Haare waren kurz geschnitten. Leicht gelockt schmiegten sie sich eng an ihren Kopf. Er sah in ihren ausdrucksvollen und sanften Augen keine Ablehnung mehr. Die rebellische Wut des Mädchens aus Itzehoe war verschwunden, sie verströmte warme Sympathie.
    Er wollte etwas zu ihr sagen, doch nun humpelte Christoph von Cronen heran, schob sich energisch durch die neugierige Menge, deutete eine höfliche Verbeugung vor Greetje an und bot ihr seinen Arm.
    »Meine liebe Greetje«, säuselte er mit übertriebener Liebenswürdigkeit. »Mit diesen Grobianen müsst Ihr Euch nicht länger abgeben. Dieses Gesindel spricht eine ganz andere Sprache, die unsereins gar nicht verstehen will.« Er führte sie von dannen, ohne die zornigen Ausrufe einiger Männer zu beachten, die sich durch seine |160| Worte beleidigt fühlten. Während sie sich entfernte, blickte Greetje zu Hinrik zurück. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Er sah es und fühlte sich von einer eigenartigen Wärme durchströmt. Er meinte, ihre Gedanken erraten zu können: »Macht Euch keine Sorgen. Ich verrate Euch nicht!«
    Sicher war er sich jedoch nicht. Hans Barg und Wilham von Cronen waren Freunde. Der Arzt gehörte zu jenem Kreis von Männern, die ihn um Haus und Hof gebracht hatten. Tatenlos hatte er zugesehen, wie Hinrik verprügelt worden war. Er musste gewusst haben, wie gering Hinriks Aussichten gewesen waren, die darauf folgende Nacht zu überleben.
    Hinrik hatte das Gefühl, dass Wilham von Cronen allgegenwärtig war. Ein Ring der Macht hatte sich um Hinrik gebildet, der enger und enger wurde, so dass es vielleicht schon jetzt kein Entrinnen mehr gab. Wenn Hans Barg ihn erkannte, würde er ihn verraten. Das stand für Hinrik ebenso fest wie die Tatsache, dass er ihm damals in Itzehoe viel zu wenig für das Haus seiner Eltern gezahlt hatte. Er war nicht der väterliche Freund, für den er sich ausgegeben hatte, vielmehr hatte er die Situation schamlos ausgenutzt.
    Vom Hafenmeister bedrängt, setzte Hinrik sich in den Kran und begann damit, eine Kogge zu löschen. Sie brachte kostbares Leinen und ein seltsames Ding, das sich Kanone nannte, aus England nach Hamburg.
    »Was ist eine Kanone?«, fragte er den Hafenmeister, als er den Bauch des Schiffes mit Bierfässern gefüllt hatte und die Mannschaft sich bereits daranmachte, die Leinen zu lösen.
    »Eine neue Erfindung«, antwortete Kramer würdevoll, als wäre er derjenige, der die Kanone entwickelt hatte. »Eine Schusswaffe. Nur wird sie nicht mit einer kleinen |161| Bleikugel geladen, sondern mit einer Steinkugel, die wenigstens so groß wie eine Männerfaust ist und die schreckliche Zerstörungen anrichtet, wenn sie irgendwo einschlägt. Es heißt, dass sie sogar die Stadtmauer zum Einsturz bringen kann.«
    Erstaunt musterte Hinrik das dicke Eisenrohr, das mit breiten Eisenbändern versehen war. Eine solche Waffe war ihm neu.
    »Die Zeiten ändern sich«, sinnierte er. »Es ist vor allem die technische Entwicklung, die uns zum Umdenken zwingt.«
    »Keine Angst!«, lachte Kramer, wobei er sich in die Höhe reckte und forschend in die Runde blickte, um sich davon zu überzeugen, dass die Arbeit, die er überall im Hafen angeschafft hatte, erledigt wurde. »Wie nicht anders zu erwarten, gibt es große Schwierigkeiten damit. Der Waffenmeister der Stadt hat mir gesagt, dass man nur einen Schuss abgeben kann. Dabei erhitzt sich das Rohr so stark, dass es platzt, wenn man gleich einen zweiten Schuss abfeuert. Man muss warten, bis das Rohr wieder abgekühlt ist. Ihr könnt also davon ausgehen, dass sich Kanonen an Bord eines Schiffes niemals durchsetzen werden. Wenn man in einer Schlacht erst eine halbe Stunde oder länger warten muss, bevor man den nächsten Schuss abgeben kann, ist das eigene Schiff längst gekapert oder gar versenkt worden.« Verständnislos schüttelte er den Kopf.
    Hinrik war anderer Meinung, widersprach dem Hafenmeister aber nicht, sondern nickte, als hätte dieser ihn von der Wertlosigkeit der Kanone überzeugt.
    Die Kogge legte ab, und eine andere nahm ihren Platz ein. Sie war größer und hatte entsprechend mehr Fracht an Bord, so dass es bis in den späten Abend hinein dauerte, bis sie geleichtert und später wieder beladen worden war.
    |162| Müde machte sich Hinrik auf den Weg. Er wollte zu seinem Boot gehen, verspürte jedoch Hunger

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