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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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das Haus in den nächsten Tagen kaum einmal und verbrachte die meiste Zeit damit, notwendig gewordene Reparaturen im Haus durchzuführen.
    »Eigentlich könnte ich mich als Handwerker selbständig machen«, sagte er, als er nach einigen Tagen eine Tür reparierte, die sich im Verlauf der Jahre verzogen hatte.
    »Könnt Ihr nicht«, widersprach sie ihm. »Junger Mann, Ihr seid nicht aus Hamburg. Ihr kommt von außerhalb. Die so genannten ehrbaren Kaufleute und die Zünfte lassen so etwas auf keinen Fall zu. Anders wäre es, wenn sie Euch in die Zunft aufnehmen würden, aber dafür haben sie keinen Grund.«
    »Es widerstrebt mir, den ganzen Winter über nichts |196| zu tun«, meinte er. »Ich brauche Arbeit, um in Form zu bleiben.«
    Wortlos stieg sie in ihre Holzschuhe und verließ das Haus, um nach einigen Stunden mit einem Arm voller Gemüse und ein wenig Fleisch zurückzukehren. Er war gerade dabei, Holz in den Kamin zu legen. Sie nickte ihm zu und verschwand in der winzigen Küche, um das Essen zuzubereiten. Als sie ihn bald darauf rief, zog ein verführerischer Duft nach schmackhaftem Gemüse und gebratenem Fleisch durch das Haus.
    »Ich habe Arbeit für Euch«, eröffnete sie ihm, während sie zusammen das Abendessen genossen. Sie hatte einen Hocker in die Stube gestellt, so dass er sich ebenfalls setzen konnte.
    »Ich habe so weit alles im Haus in Ordnung gebracht«, wandte er ein. »Gerade habe ich mich umgesehen. Ich habe nichts entdeckt, was gemacht werden müsste.«
    »Dummkopf«, brummte sie. »Ich meine nicht hier im Haus, sondern im Sägewerk. Dort könnt Ihr anfangen, wenn Ihr wollt. Sie haben für einige Monate Arbeit. Aber es ist hart. Sehr hart.«
    »Das ist mir recht.« Überrascht blickte er sie an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihm eine Arbeit beschaffen könnte.
    »Ich kenne die Leute«, schmatzte sie, während sie sich am Gemüse gütlich tat. »Das hilft manchmal.«
    Am nächsten Morgen fand er sich bei der Sägemühle ein, die außerhalb der Mauern vor der Stadt auf einem leicht erhöhten Gebiet lag, das von Sümpfen umgeben war. Mächtige Baumstämme türmten sich viele Fuß hoch auf. Es war Holz, das aus den umgebenden Wäldern herangeschafft worden war.
    Walter Seeler war der Inhaber des Sägewerks, in dem außer ihm noch fünf weitere Männer arbeiteten. Er war |197| ein kleiner, nervöser Mann mit einem dichten Oberlippenbart, der links und rechts weit über die Mundwinkel hing und der ihn wie ein Walross aussehen ließ. Auf dem Kopf trug er eine mit Lammfell gefütterte Lederkappe, die von der Stirn und über die Ohren hinweg den ganzen Schädel bedeckte und nur die Augen, die Nase und die Mundpartie frei ließ. Während er sprach, zuckten seine Augenlider, und nach jedem Satz presste er die Lippen fest zusammen, um seine Entschlossenheit zu unterstreichen.
    Seine grauen Augen wirkten kalt und leblos. Sie signalisierten, dass dieser Mann nicht einen Funken Humor besaß. Er war hart und kompromisslos, und er forderte Härte von seinen Arbeitern. Mitleid hatte dieser Mann nie empfunden, und es würde ihm auch in Zukunft fremd bleiben.
    »Du fängst in der Grube an«, entschied er. »Alle Neuen gehen zuerst in die Grube. Wenn sie sich dort bewähren, kann ich sie gebrauchen und setze sie für andere Arbeiten ein.«
    Hinrik vom Diek hatte keine Ahnung, was »die Grube« war, aber er erfuhr es gleich darauf, als Seeler ihn in die Kälte hinausführte. Die Grube war etwa acht bis neun Fuß tief und beinahe ebenso lang. Mit Hilfe von zwei Pferden hatte man einen mächtigen Baumstamm darübergerollt. Er musste in die Grube hinabsteigen, während ein anderer Arbeiter sich oben auf den Baum stellte, eine mächtige Säge in der Hand. Nun galt es, den Baumstamm der Länge nach durchzusägen, um daraus Bretter zu machen. Hinriks Aufgabe war es, die Säge nach unten zu ziehen, während der andere sie in die Höhe zog. Es war für beide eine schwere und anstrengende Arbeit. Allerdings war Hinrik in der weitaus unangenehmeren Lage, denn ihm rieselten während der ganzen Zeit die Sägespäne |198| auf den Kopf, so dass es nicht ratsam war, nach oben zu sehen.
    Er arbeitete stets mit leicht gesenktem Kopf und nahm hin, dass die Späne ihm unter die Kleidung fielen und auf der Haut juckten. Er nahm sich vor, vom nächsten Tag an ein Halstuch zu tragen, das ihm den Kragen verschloss, so dass keine Späne mehr eindringen konnten.
    Eine derart schwere Arbeit war er nicht gewohnt. Den Kran zu

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