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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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plauderten sie ganz sicher nicht über irgendetwas, das alle hören durften. Sonst hätte die Begegnung ja an anderer Stelle und zu einer anderen Tageszeit stattfinden können.
    Als die beiden Männer ihr Gespräch beendet hatten und sich voneinander verabschiedeten, beschloss Hinrik kurzerhand, einem von ihnen auf den Fersen zu bleiben. Er drückte sich an die Wand des Lagerhauses und wartete ab, bis der Mann an ihm vorbei war, der in Richtung |188| Hafen ging. Da der Mond schien, konnte er ihn leicht im Auge behalten. Außerdem ließen sich die Spuren im Schnee verfolgen. Schwieriger wurde es, als der Mann an ihm vorbei zum Hafen und dann ein Stück entlang der Alster ging. Hinrik war kaum dreißig Schritte hinter dem Mann, als dieser von Cronens Haus erreichte und an die Haustür klopfte. Ein Dienstmädchen öffnete und ließ ihn herein.
    Hinrik wartete beinahe eine Stunde, bis sich die Tür erneut öffnete und der Unbekannte heraustrat. Wilham von Cronen begleitete seinen Besucher einige Schritte weit, wechselte einige Worte mit ihm und reichte ihm schließlich zum Abschied die Hand. Hinrik zog sich hinter einen Baum zurück und blieb eine ganze Weile nachdenklich dort stehen. Von dem Mann, der von Cronen aufgesucht hatte, war schon lange nichts mehr zu sehen.
    Auf dem Weg zurück zu seinem Boot fragte er sich, welche Bedeutung seine Beobachtungen haben mochten. Irgendetwas braute sich zusammen, und von Cronen spielte eine Rolle dabei. Der Himmel war nun klar und das Mondlicht heller als zuvor. Deutlich konnte er die Spuren im Schnee sehen, die der Besucher von Cronens und er hinterlassen hatten. Sie führten bis zum »Goldenen Anker«, und da er Stimmen aus dem Gastraum vernahm, trat er ein, um ein Bier zu trinken. Nur wenige Besucher waren dort. Er setzte sich zu ihnen, und sie berichteten, dass die Verletzten von dem Arzt Hen Schneider versorgt worden waren, der seine Arbeit bei weitem nicht so gut verrichtete wie Hans Barg. Aber er war nüchtern gewesen, während Barg nicht mehr in der Lage war, sich aus seinem Bett zu erheben.
    Als Hinrik sein Bier ausgetrunken hatte und gehen wollte, kam Thore Hansen hinkend herein. Der Däne füllte die Tür vollkommen aus, so dass Hinrik ihm den |189| Vortritt lassen musste. Erstaunt stellte er fest, dass dieser sich absolut sicher auf seinen Beinen bewegte. Hinrik stutzte. Es war noch nicht allzu lange her, dass der Däne den Eindruck erweckt hatte, als wäre er so betrunken, dass er nicht mehr gerade gehen konnte. Jetzt war davon nichts mehr zu merken.
    Voller Unbehagen trat Hinrik auf die Straße hinaus. Thore Hansen hatte die Trunkenheit vorgetäuscht. Dafür musste er einen Grund gehabt haben.
    Ein Spaßvogel war er jedenfalls nicht!
    Hinrik sah die Spuren im Schnee und erschrak. Er war unvorsichtig gewesen. Er hatte geglaubt, unbemerkt geblieben zu sein. Doch das war ein Irrtum gewesen. Jemand hatte ihn beobachtet und war ihm gefolgt, vielleicht Thore Hansen. Die Spuren im Schnee waren allzu deutlich für jeden, der sie mit offenen Augen sah.
    Hinrik beschleunigte seine Schritte, und schließlich rannte er, von einer bösen Ahnung erfüllt, die letzte Strecke bis zu den Lagerhäusern. Hier gab es kaum Spuren. Zwei von ihnen führten von der Brücke herunter, die andere kam von den Lagerhäusern her. Das war seine Spur. Sie zeugte von dem schweren Fehler, der ihm unterlaufen war.
    Er war hinter einem der beiden Männer hergelaufen, hatte dabei jedoch nicht bemerkt, dass der andere von der Brücke gekommen und auf ihn aufmerksam geworden war.
    Wenig später sah er seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Sein Boot war im Fleet versenkt worden. Ein kleines Stück Holz von seinem Bug ragte aus dem Eis hervor, das jemand zertrümmert hatte.
    Er zögerte keinen Moment, zog seine Kleider aus und stieg dann vorsichtig ins eisige Wasser. Es war so kalt, dass es ihm den Atem nahm. Doch er hatte keine Wahl. |190| Seine Füße versanken bereits im Schlick. Er musste tauchen, um zu den Überresten des Bootes vorzudringen. Er musste es tun. Wer auch immer das Boot zerstört hatte, wusste, dass er ihn mit dieser Tat vernichtete. An Bord befand sich all sein Hab und Gut. Wer es ihm mitten im Winter nahm, wo es so gut wie keine Arbeit gab, machte ihn zu einem Bettler, für den es kein Emporkommen mehr gab.
    Während er in das schwarze Wasser hinabglitt, fragte er sich, wer ihm dies angetan hatte. Kannte er einen der Männer auf der Brücke oder gar beide? Oder kannten sie ihn,

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