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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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nein. Das ist sicherlich ein Verdacht, der in keiner Weise gerechtfertigt ist.« Er war erschrocken, weil er beinahe seine Karten aufgedeckt und sich ohne Not als Gegner von Cronens zu erkennen gegeben hätte.
    »Das denke ich auch.« Fieten Krai nickte gewichtig, griff zu seinem Saiteninstrument und schlug einen Akkord an.
    Hafenmeister Kramer pfiff auf den Fingern, und Hinrik eilte zum Kran, um seine Arbeit wieder aufzunehmen. Es gab viel zu tun, und es galt, aufmerksam zu sein, damit es keine Unfälle gab. So achtete er kaum auf das, was um ihn herum vorging, und warf nur hin und wieder einen Blick nach draußen. Das aber genügte, um zu erfassen, dass der letzte Angriff Störtebekers die Hanse förmlich aufgescheucht und zu energischem Widerstand provoziert hatte. Man war offenbar nicht mehr länger bereit, die Machenschaften der Vitalienbrüder mit vereinzelten Gegenstößen und Aktionen zu beantworten, sondern warb Hunderte von Kämpfern an, was den Schluss nahelegte, dass die Hanse die Freibeuter dieses Mal mit einer ganzen Flotte angreifen wollte, um ein für allemal für Ruhe auf der Nordsee zu sorgen.
    Hinrik beobachtete die Mobilmachung mit zwiespältigen Gefühlen, und er wunderte sich zugleich darüber, dass so viele Männer bereit waren, bei dem nicht ungefährlichen Unternehmen mitzumachen. Bisher hatte Störtebeker vornehmlich die Schiffe der weniger bedeutenden Handelsherren überfallen und geplündert. Das hatte für |233| Unruhe gesorgt, jedoch niemals für eine derartige Empörung wie nach Kaperung der »Silbermöwe«.
    »Bei den Kleinen nehmen die Handelsherren Verluste mit einem Achselzucken hin«, sagte er verächtlich, während er hinausblickte und das Treiben der Werber verfolgte. »Wenn die Großen geschröpft werden, also sie selbst, rufen sie den Krieg aus!«
    Als gegen Abend eine der letzten Koggen mit Fellen beladen wurde, die aus Russland herangeschafft worden waren, befahl ihm Hafenmeister Kramer überraschend, die Arbeit einzustellen und den Kran zu verlassen. Verwundert kam Hinrik dieser Aufforderung nach. Als er durch die schwere Holztür auf der Rückseite der Anlage trat, sah er sich zwei Landsknechten der Stadt gegenüber. Einer von ihnen richtete eine Lanze auf ihn und erklärte: »Im Namen der Stadt Hamburg, du bist verhaftet.«
    Er blieb ruhig, als wäre er nicht betroffen.
    »Aus welchem Grund?«, fragte er. Dabei war er hellwach. Auf Situationen wie diese war er vorbereitet. Er hatte gelernt zu kämpfen und sich notfalls blitzschnell umzustellen, so dass er die Schwächen seines Gegners nutzen konnte.
    »Das wird dir der Richter sagen«, antwortete einer der Landsknechte. Der metallene Helm und das gestickte Muster mit den Insignien der Hansestadt auf seinem Wams machten deutlich, in wessen Sold er stand.
    Als Hinrik schon meinte, ein Schlupfloch entdeckt zu haben, sah er drei weitere Landsknechte, die sich geschickt hinter ihm postiert hatten und ihm keinen Ausweg ließen. Einer der Söldner trat auf ihn zu, legte ihm ein Messer an die Kehle, und ein anderer fesselte ihm die Hände auf den Rücken. Es gab keine Möglichkeit mehr, den Häschern zu entkommen.
    |234| In der Menge, die sich rasch um ihn versammelt hatte, entdeckte er den Gaukler Fieten Krai, und er glaubte zu wissen, wer die Ordnungshüter auf den Plan gerufen hatte.
    Sie banden ihm eine Schlinge um den Hals und führten ihn quer durch die Stadt zum Verlies unter dem Rathaus. Hinrik stolperte die Stufen hinunter in ein finsteres Gewölbe, dessen Decke so niedrig war, dass er nicht aufrecht gehen konnte. Muffige, schlechte Luft und ein schier unerträglicher Gestank nach Urin und Kot schlugen ihm entgegen. Der Boden war mit Unrat bedeckt, an dem sich Ratten gütlich taten. Die Wachen legten ihm Eisen und eine Kette an die Beine, so dass er nur kleine Schritte machen konnte. Knarrend öffnete sich eine mit Eisen bewehrte Tür, er schritt hindurch, und dann schob sich klirrend ein Riegel ins Schloss. Mit eingezogenem Kopf stand er in einem düsteren, feuchten Raum, in dem mehrere Bündel auf dem Boden lagen. Erst als sich seine Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, sah er, dass es Menschen waren.
     
    Das Essen war schlecht. Das Brot war trocken, teils schimmelig und nahezu ungenießbar, und das Wasser schmeckte faulig. Hinrik nahm kaum etwas davon zu sich. Er kauerte in einer Ecke des Verlieses und dachte darüber nach, wem er zu verdanken hatte, dass er hier gelandet war, geplagt von Flöhen, Läusen und Wanzen,

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