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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Schiff mit besonders wertvoller Ladung beladen worden ist. Möglicherweise war er sogar darüber informiert, welchen Kurs die Schiffe auf der Nordsee nehmen wollten. Häufig genug hat er ja mit den Kapitänen gesprochen. Ich bin sicher. Er ist ein Spion. Warum sollte ein Angehöriger des Landadels wohl sonst als einfacher Arbeiter tätig sein?«
    Greetje war vollkommen durcheinander. Allzu viel war auf sie eingestürzt.
    Sie wehrte sich gegen die Verdächtigungen, konnte jedoch nicht verhindern, dass Thore Hansen Zweifel in ihr Herz träufelte. Sie wimmelte den Mann ab, der offensichtlich froh darüber war, einen Rivalen los zu sein, und zog sich in ihr Haus zurück. Um sich zu beschäftigen, begann sie aufzuräumen. Ihre Gedanken weilten bei Hinrik. Je länger sie über ihn nachdachte, desto mehr Fragen türmten sich auf. Es gab allerdings einige Ungereimtheiten in seinem Leben. Oft hatten sie über Störtebeker und die Vitalienbrüder gesprochen, und einmal hatte Hinrik erwähnt, dass man sich ihnen anschließen müsse, wenn man wirklich reich werden wolle, da die Kaufmannschaft der Hansestadt und die verschiedenen Zünfte einem keine |252| Möglichkeiten ließen. Sie wollten den Kreis der Vermögenden klein halten.
    Sollte er wirklich für Störtebeker spioniert haben? Entsprach die Anklage den Tatsachen? Hatte er zwei Männer getötet, indem er sein eigenes Haus anzündete?
    Sie stutzte.
    Welch ein Widerspruch! Warum sollte er sein Haus anzünden, nachdem er es dem Kloster zu Itzehoe geschenkt hatte? Entweder hatte nicht er es angezündet, sondern ein anderer, oder er hatte sein Hab und Gut nicht verschenkt. Beides zusammen ging nicht.
    Während sie noch versuchte, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen, trat ein Mann ein, den sie nicht erwartet hatte. Er zog seine bestickte Lederkappe vom Kopf und verneigte sich tief vor ihr.
    »Fieten Krai, was führt Euch zu mir?«
    »Der Hals«, krächzte er und hustete anhaltend. »Ich suche etwas gegen meine Erkältung. Könnt Ihr mir etwas geben? Ich weiß, ich weiß, Euer Vater ist nicht mehr, möge Gott seiner Seele gnädig sein, aber er hat sicherlich Notizen hinterlassen. Ich habe gehört, er konnte lesen und schreiben, eine hohe Kunst, die nur wenige außerhalb der Klostermauern beherrschen.«
    »Dafür dass Euch der Hals kratzt, seid Ihr ganz schön redselig«, sagte sie, froh über die Abwechslung. »Ich sehe mich um.«
    Aus einer Lade holte sie ein Bündel Zettel hervor und blätterte darin. Da sie im Lesen wenig geübt war, hatte sie große Mühe, die Schriften darauf zu entziffern, zumal ihr Vater viele Rezepturen in lateinischer Sprache verfasst hatte. Erschwerend kam hinzu, dass Fieten Krai, nachdem er sich mehrmals kräftig geräuspert hatte, ein Spottlied zu singen begann. Es klang holprig, und er stockte einige Male, um den einen oder anderen Vers erneut zu beginnen |253| und dabei umzugestalten, damit der Reim stimmte. Greetje hörte kaum zu. Sie merkte erst auf, als der Ratsherr Wilham von Cronen in den Mittelpunkt des kleinen Vortrags geriet. Neugierig schob sie die Zettel zur Seite und hörte Krai zu, wie er sang:
    Ein schönes Schiff, voll mit Bohnen,
    gehört nicht dem Ratsherrn von Cronen.
    Felle von nordischem Getier
    erwecken der Freibeuter Gier.
    Verloren sind die Felle und Bohnen,
    Vitalienbrüder haben sie gestohlen.
    Doch von Cronen interessiert das nicht,
    er führt in Hamburg das Gericht,
    zu verdammen einen armen Wicht,
    auf dessen Kopf er ist erpicht.
    Erlöst die Freunde, diese Frommen.
    Verlor der Ritter durch Betrug,
    was er einst besessen.
    Doch damit nicht genug.
    Hat er ihm erst den Kopf genommen,
    ist bald alles vergessen;
    in einer Robe besonders fein,
    zieht er ins Rathaus ein.
    Als Bürgermeister.
    Bitter, für den armen Ritter,
    der des Henkers Schwert ...
    »Wie bitte? Was war das?«, unterbrach Greetje den Moritatensänger. »Betrug? Was für ein Betrug?«
    Der kleinwüchsige Mann blickte sie ernst an, und dabei tanzten seine buschigen schwarzen Augenbrauen über seinen |254| Augen auf und ab, als hätten sie sich selbständig gemacht.
    »Ihr wisst nichts davon? Obwohl in Itzehoe die Spatzen von den Dächern pfeifen, was passiert ist?«
    »Ich war lange nicht dort.«
    »Erst vor einigen Tagen war ich an der Stör. Und da habe ich es gehört.«
    »Was denn? Nun redet doch schon«, bedrängte sie ihn voller Ungeduld.
    »Man hat Hinrik vom Diek nach Strich und Faden betrogen. Man hat ihm etwas eingeflößt, was ihn bewusstlos gemacht

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