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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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sprach sogar mit Christoph von Cronen, dem Sohn des Richters und Ratsherrn. Er zeigte ihr jedoch die kalte Schulter und bedeutete ihr, dass er selbst dann nichts für Hinrik vom Diek unternehmen würde, wenn er die Möglichkeit hätte. Es gelang ihr, bis zum Bürgermeister der Stadt vorzudringen. Nikolaus Schocke, der zugleich Admiral war, zeigte höfliches Interesse. Seine Gedanken richteten sich mehr auf die Seefahrt als auf die Belange der Stadt, die er in den Händen der Ratsherren gut aufgehoben wähnte.
    Er war ein mittelgroßer Mann von etwa vierzig Jahren. Da er kahlköpfig war, trug er eine Perücke aus weißem Haar, das ihm in weichen Wellen bis auf die Schultern herabfiel. Während er mit ihr sprach, fuhr er sich immer wieder mit dem Zeigefinger über die Stirn, um geziert eine Haarsträhne zur Seite zu streichen. An je drei Fingern seiner schmalen Hände trug er goldene Ringe.
    »Darf ich mich setzen?«, fragte Greetje, nachdem er sie unterbrochen hatte, um ebenso freundlich wie liebenswürdig auf ihren Vater zu sprechen zu kommen. Er hatte Hans Barg gekannt und war einige Male von ihm behandelt worden. Sie legte ihre Hand an die Lehne eines Stuhls.
    »Um Himmels willen!«, rief er und hob abwehrend die Hände. »Es bringt Unglück, wenn Ihr Euch auf diesen Stuhl setzt. Keine Frau hat je zuvor darauf gesessen.«
    |247| Er rückte einen anderen Stuhl heran und zog sich danach hinter seinen wuchtigen Arbeitstisch zurück. Irritiert blickte er auf die Tischplatte, beugte sich darüber und musterte den Dreck, den einige Fliegen darauf hinterlassen hatten. Er fuhr mit dem Zeigefinger daran entlang, um sich dann aufatmend zurückzulehnen.
    »Ich fürchtete schon, es seien sieben Flecke«, seufzte er.
    »Und wenn es so gewesen wäre?«, fragte sie.
    »Dann hätte ich nicht länger mit Euch reden können«, eröffnete er ihr und sah sie verwundert an, weil sie die Zeichen nicht zu deuten wusste. »Es gibt sieben Jahre Pech, wenn die Flecken so wie hier eine Linie bilden. Aber es müssen sieben sein. Glücklicherweise sind es nur fünf.«
    Er zog ein Tuch aus der Tasche hervor, spuckte auf die Tischplatte und entfernte den Fliegendreck. Er war offensichtlich außerordentlich abergläubisch. Ständig schien er in Sorge zu sein, irgendetwas falsch zu machen oder die Hinweise des Schicksals nicht richtig zu deuten. Von ihren Nachbarn hatte sie gehört, dass vor ihm einmal auf dem Weg zum Hafen eine schwarze Katze über die Straße gelaufen war und dass er daraufhin einen weiten Umweg gemacht hatte, um auf keinen Fall jene unsichtbare Linie zu überschreiten, auf der die Katze gegangen war.
    Greetje kam schließlich auf Hinrik vom Diek zu sprechen und versuchte, die Unterstützung des Bürgermeisters zu gewinnen. Doch das war vollkommen aussichtslos. Er lehnte es ab, sich mit dem Fall zu befassen, und sprach lieber von den maritimen Problemen, von den Sandbänken und unberechenbaren Strömungen im Gebiet um die Insel Helgoland.
    Enttäuscht verabschiedete sie sich. Immerhin erfuhr sie, dass die Gerichtsverhandlung noch nicht stattgefunden hatte, jedoch unmittelbar bevorstand. In ihrer Angst und Verzweiflung wandte sie sich an Wilham von Cronen, erhielt |248| aber keine Genehmigung, mit dem Gefangenen zu sprechen.
    »Ich wundere mich sehr«, sagte der Richter, Ratsherr und Handelsherr ihr, als sie ihn in seinem Haus aufsuchte und auf Hinrik vom Diek ansprach. »Was habt Ihr mit diesem Mann zu tun?«
    »Wie Ihr wisst, kenne ich ihn von Itzehoe her«, erwiderte sie.
    »Ach, das ist eine ganz andere Geschichte«, meinte er. »Den Hinrik vom Diek, mit dem Ihr als Kind vielleicht gespielt habt, gibt es nicht mehr.«
    »Aber ich kenne ihn auch als Erwachsenen. Er muss ein gütiger Mensch sein, denn immerhin hat er sein Hab und Gut dem Kloster zu Itzehoe geschenkt. Oder nicht?« Sie blickte ihn forschend an, ließ sich keine Regung in seinem blassen Gesicht entgehen. Sie meinte, ein Flackern in seinen blauen Augen erkennen zu können. Doch gleich waren sie wieder kalt wie Eis und nahezu ausdruckslos. Greetje aber glaubte jetzt zu wissen, dass Mutter Potsaksch recht hatte. Hinrik hatte sein Hab und Gut nicht verschenkt, man hatte es ihm gestohlen, und von Cronen war der Mann, der die Fäden gezogen hatte.
    »Nach den mir vorliegenden Informationen hat er sein Hab und Gut verspielt. Sollte er es jedoch verschenkt haben, sind das sicherlich strafmildernde Umstände.« Er nickte mehrmals, als habe er darüber nachgedacht. »Ja,

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